MPE Jahresbericht 2000 /MPE Annual Report 2000

II

Wissenschaftliche Ergebnisse / Scientific Results


1. Physik des Sonnensystems

1. Solar System Physics
Das Sonnensystem umfasst Sonne, Planeten, deren Atmosphären und Plasmaumgebungen, die kleinen Körper, z.B. Kometen, interstellaren Staub und die kosmische Strahlung. In unserem Institut werden vor allem plasmaphysikalische Phänomene bearbeitet, und zwar in der Sonnenatmosphäre, in der Erdmagnetosphäre und ihren Grenzschichten, im interplanetaren Raum und bei Kometen. The solar system is comprised of the Sun, the planets, their atmospheres and plasma environs, the small bodies, e.g., comets, down to dust particles, interstellar matter intruding from outside, and the cosmic radiation. At MPE we mainly investigate the plasma physical phenomenain the solar atmosphere, in the Earth's magnetosphere and it’s boundaries, in interplanetary space, and at comets.
Dazu nutzen wir für die Sonne die Beobachtungsmöglichkeiten mit den Weltraumobservatorien SOHO und TRACE und auf der Erde die Observatorien von La Palma, Teneriffa und El Leoncito. In der Magnetosphärenphysik sehen wir mit den vier Cluster Satelliten einem Höhepunkt der Magnetosphärenforschung entgegen, außerdem arbeiten wir immer noch an Daten von
AMPTE (1984-1986) und in jüngster Zeit auch von Equator-S (1997-1998). Die Plasmaphysik des Polarlichts wird mit den Daten der Freja und FAST Missionen studiert. Kosmische Strahlung und energetische Ionen im Sonnenwind werden mit Instrumenten auf SOHO, ACE und SAMPEX gemessen. Zur Erforschung von Kometen dienten optische Beobachtungen des Skinakas Observatoriums und Röntgenbeobachtungen mit ROSAT. Zu alledem werden auch theoretische Untersuchungen und numerische Simulationen durchgeführt.
For the Sun we make use of the space observatories SOHO and TRACE as well as of the terrestrial observatories in La Palma, Tenerife, and El Leoncito. With the four Cluster spacecraft we are at the advent of a new age in magnetospheric physics; in addition, studies of the magnetosphere still benefit from the data of the AMPTE mission (1984-1986) and, more recently, from Equator-S (1997-1998). We are studying the plasma physics of the aurora with the help of data from the Freja and FAST missions. SOHO, ACE, and SAMPEX are measuring the cosmic radiation and the more energetic ions of the solar wind. Our research on comets is, on the one hand, based on optical measurements at Skinakas observatory, on the other hand on X-ray data obtained with ROSAT. Theoretical studies and numerical simulations supplement these data.

Insgesamt steht uns dabei als Ziel vor Augen, typische plasmaphysikalische Prozesse und Phänomene unter Weltraumbedingungen zu studieren und besser zu verstehen, um damit zur Erarbeitung von Grundlagen für die Anwendung auf weit entfernte Objekte beizutragen. Neben der Plasmaphysik gibt es noch Messungen der interstellaren und kometaren Staubkomponente, die mit den Missionen Stardust und Rosetta geplant sind. Bei Stardust gibt es schon erste Ergebnisse.

 

Our general aim is to study typical plasma physical processes and phenomena that occur in near-Earth space and improve our knowledge such that we can contribute basic ideas when these phenomena are being studied for the more distant objects. Outside of plasma physics studies of interstellar and cometary dust are planned for the Stardust and Rosetta missions. Stardust has already provided first results.

 

Nahezu alle aufgeführten Themen werden in internationalen Teams bearbeitet. Dabei waren die Startvorbereitungen, die Testphase der Cluster Satelliten und die erste Auswertung der Cluster Daten ein zentrales Anliegen im Berichtsjahr.

 

We are studying nearly all of the subjects mentioned above as parts of international collaborations. Of central interest in 2000 were the launch preparation, commissioning phase and the analysis of first data from the four Cluster spacecraft.

 

1.1   Erdmagnetosphäre


1.1   Earth's Magnetosphere

Im Vordergrund der Aktivitäten zur Plasmaphysik im erdnahen Weltraum stand die Vorbereitung der CLUSTER-II Mission. Nach einem erfolgreichen Start im Juli und August 2000 fanden im Herbst die Test- und Verifikationsphasen statt. Der wissenschaftliche Betrieb wird im Januar 2001 aufgenommen werden (s.a. Kapitel III.1.1). Daneben brachte die Analyse der Daten von Equator-S, AMPTE, Polar und Geotail zahlreiche inter­es­sante Ergebnisse. In diesem Jahr wurde insbesondere an der Bestimmung der Geschwin­digkeit von Plasma­diskontinuitäten gearbeitet, sowie Transport­pro­zesse im Schweif der Magnetosphäre, der Zusam­menhang zwi­schen Hochgeschwindigkeits – Plasma­strömen und Aurora, sowie die Be­schleunigung von Elektronen zu relativistischen Ener­gien in der Magneto­sphäre untersucht. Daneben wurden unsere Arbeiten zur Datenana­lyse durch mehrere theoretische Arbeiten unterstützt.

 

The main activity in the field of near-Earth space plasma physics was the preparation of the Cluster-II mission. After the successful launch in July and August 2000 the ac­tivities concentrated on the commissioning and interfer­ence phases. The scientific phase will start in January 2001 (s. a. chapter III.1.1). In addition, the analysis of data from Equator-S, AMPTE, Polar, and Geotail re­vealed many interesting results. We studied, for exam­ple, the determination of the velocity of plasma bounda­ries, transport processes in the magneto tail, the relation of high-speed flows in the magneto tail with the aurora, and the acceleration of electrons to relativistic energies in the magnetosphere. Furthermore, simulations and theoretical studies complemented our data analysis.

Um Zeitreihen, die mit Instrumenten auf Einzelsatelliten bei der Durchquerung von z.B. Plasmadis­kontinuitäten aufgenommen wurden, in echte räumlich Profile zu ver­wandeln, benötigt man die Kenntnis der Relativge­schwindigkeit von Satellit und Diskontinuität. Hat man Messungen auf mehreren Satelliten zur Verfügung, so kann man diese Geschwindigkeit aus dem zeitlichen Versatz der Durchgangszeiten der Diskontinuität ermit­teln. Interessanterweise gibt es aber auch Methoden, die es erlauben, diese Geschwindigkeit aus Messungen eines einzelnen Satelliten zu bestimmen.

 

To turn the time-series recorded by instruments travers­ing, say, some plasma boundary or discontinuity into true spatial profiles requires knowledge of the velocity of the discontinuity relative to the spacecraft. With multiple spacecraft, as will be available with the Cluster-II mission, this speed can be determined from the time elapsed between the crossings by the different space­craft. But it is interesting that there are methods to derive reasonably accurate estimates of the speed when meas­urements are only available from a single spacecraft.

 

Eine dieser Methoden beruht auf der Tatsache, dass das Faradaysche Gesetz die Stetigkeit der Tangentialkompo­nente des elektrischen Feldes beim Durchgang durch eine Diskontinuität verlangt. Dies gilt wohlgemerkt aber nur im Koordinatensystem der Diskontinuität selbst. Im Satellitensystem kommt durch die Bewegung der Dis­kontinuität ein elektrisches Feld hinzu, das einen Sprung in der Tangentialkomponente verursacht. Aus den Mes­sungen des elektrischen Feldes kann man dann die Ge­schwindigkeit bestimmen, die diesen Sprung eliminiert. Eine weitere Methode macht sich zunutze, dass es ein Koordinatensystem gibt, in dem das Plasma auf beiden Seiten der Diskontinuität entlang des Magnetfeldes strömt. Dieses System, das nach seinen Erfindern
deHoffmann-Teller System genannt wird, lässt sich aus den Messdaten bestimmen. Die Transfor­mations­geschwin­digkeit zwischen Satelliten- und deHoffmann-Teller System setzt sich aus der Geschwindigkeit der Diskonti­nuität und einer Drift entlang der Diskon­ti­nuität zusammen. Kennt man nun die Normalen­richtung der Diskontinuitätsflä­che, so ergibt sich die Bewegung der Diskon­tinuität einfach als Projektion der deHoffmann-Teller Ge­schwindigkeit auf die Normalen­richtung. Eine dritte Methode nimmt an, dass die Diskontinuität rein tangen­tial ist. In diesem Fall ergibt sich die Bewegung der Dis­kontinuität einfach aus der Bedingung, dass die Plasmageschwindigkeit entlang der Normalen zur Diskonti­nuitätsfläche verschwinden muss.

 

One such method relies on the fact that Faraday's law requires the tangential component of the electric field to be continuous across a discontinuity. This statement is true only in the frame moving with the discontinuity. In the spacecraft frame the motion of the discontinuity in­duces an extra electric field that causes a jump in the tangential electric field. From the measured electric field one can then estimate the velocity that removes that jump. Another method starts with the existence of a frame in which the plasma moves along magnetic field lines on both sides of the discontinuity, and where, there­fore, the electric field vanishes. This frame, which after its inventors is called deHoffmann-Teller frame, can be determined from the measurements. The transformation velocity between the deHoffmann-Teller and spacecraft frame consists of the motion of the discontinuity and a drift along the discontinuity. If one also knows the direction normal to the discontinuity, one can then simply calculate the bound­ary motion by projecting the transformation velocity along the normal. A third method assumes the disconti­nuity to be strictly tangential. In this case the motion of the discontinuity is that which makes the plasma velocity across the discontinuity vanish.

 

Diese Methoden, auf die wir im Zusammenhang mit unseren Untersuchungen der Plasmajets an der Magne­topause gestoßen waren, haben wir mit Hilfe der Mes­sungen auf den AMPTE-IRM und -UKS Satelliten gete­stet. Dazu haben wir zunächst die Resultate der drei beschriebenen Methoden verglichen. Wie das obere Panel von Abb. II-1 zeigt, ist die Übereinstimmung recht gut. Wir haben anschließend die mit den Einzelsatelliten-Methoden bestimmten Geschwindigkeiten mit den aus der Zeitverschiebung der Durchgangszeiten bei den bei­den Satelliten ermittelten Geschwindigkeiten verglichen. Das untere Panel von Abb. II-1 zeigt das Resultat. Die Übereinstimmung reicht von exzellent bis schlecht. Die Abbildung zeigt auch, dass die Geschwindigkeiten aus den Einzelsatellitenmessungen im Schnitt größer als die aus den Doppelsatellitenmessungen sind. Wir vermuten, dass die Ursachen für diese Diskrepanzen auf die Existenz von Substrukturen in der Magnetopause zurückzuführen sind, wie Wellenbewegungen oder magnetische Inseln. Solche Strukturen können die Durchgangszeiten verfäl­schen. Die Methoden mittels Einzelsatelliten-Messungen sind deshalb auch für Missionen wie CLUSTER von Be­deutung.

 

To test these methods, which arose from our earlier in­vestigations of the plasma jets at the magnetopause, we have used measurements from two AMPTE spacecraft (IRM and UKS). For a number of magnetopause cross­ings we first compared the results from the three meth­ods described above and found them to agree quite well. This is illustrated by the top panel in Fig. II-1. We then compared the velocities derived from the single-space­craft measurements with those derived from the timing of the crossings by the two spacecraft. The results are shown in the bottom panel of Fig. II-1. The agreement ranges from excellent to poor. There also is a tendency for the speeds from single-spacecraft methods to exceed those from the dual-spacecraft determinations. We sus­pect that the discrepancies are caused by the presence of localized substructures in the magnetopause, like undu­lations or magnetic islands. Such substructures can ad­versely affect the accuracy of the time-lag technique. The single-spacecraft methods that we have developed are thus an important tool even for multi-spacecraft missions such as CLUSTER.

 

 

Abb. II-1: Oben: Vergleich der Magneto­pausen­geschwindigkeiten, die mit drei verschiedenen Methoden aus den Einzelsatelliten­messungen ermittelt wurden. Unten: Vergleich der aus den Einzelsatelliten bestimmten Geschwindigkeiten mit den aus der Zeitverschiebung der Durchgangszeiten der Magneto­pause bei den beiden AMPTE Satelliten ermittelten Geschwindigkeiten.

Fig. II-1: Top panel: Comparison of the magnetopause speeds obtained with three single-spacecraft based methods. Bottom panel: Comparison of the single-spacecraft based magnetopause speeds with the speeds obtained from the time delay of the magnetopause crossings by the two AMPTE spacecraft.

Am 5. März 1998 befand sich Equator-S unmittelbar innerhalb der Magnetopause, als ein Druckanstieg im Sonnenwind bei nordwärts gerichtetem interplanetaren Magnetfeld vorbeizog. Bevor der Satellit in die Mag­netosheath eintrat (infolge der Deformation der Magnetopause), durchquerte er für 2.5 Minuten eine dünne Schicht mit folgenden Charakteristika: (1) anstei­gender Dichte, N, (2) abnehmender Temperatur, T, (3) Kompression von B und (4) erheblich über den Wert in der Magnetosheath ansteigender Strömungs­geschwin­digkeit, V (Abb. II-2), von rechts nach links zu lesen), (5) gleichzeitig verschwanden die hochenergetischen Elektronen. Während die Charakteristika (1), (2) und (5) denen der Low-Latitude Boundary Layer (LLBL) inner­halb der Magnetopause entsprechen, gleichen die Charakteristika (3) und (4) denen der Plasma Depletion Layer (PDL), die bei nordwärts gerichtetem Magnetfeld außerhalb der Magnetopause angetroffen wird (wie z.B. durch den WIND Satelliten beobachtet). Deutlich verschieden von der PDL sind aber die scharfen Anstiege von B und V an der äußeren Grenze der Schicht. Ferner wird das Magnetfeld dominiert von schnellen Fluktua­tionen mit typischer Zeitskala von 2 sec. Alle Evidenz zusammen gesehen, interpretieren wir die Schicht als Ergebnis einer Erosion des magnetosphärischen Feldes durch Impulsübertragung aus dem vorbeiziehenden Druck­anstieg (s. Abb. II-3). Dass die anschließend beobachtete Strömungsgeschwindigkeit in der Magneto­sheath niedriger ist als innerhalb der Erosionsschicht hängt wahrscheinlich mit der Bildung der beobachteten Mirror-Mode-Wellen zusammen. Durch glückliche Fügung scheint Equator-S die Einsatzphase einer viskosen Wechselwirkung, deren Existenz vielfach diskutiert wurde, beobachtet zu haben.

 

On 5 March 1998 Equator-S was located just inside the magnetopause while a pressure pulse in the solar wind was passing by with strongly northward interplanetary magnetic field. Before the spacecraft entered the magnetosheath (due to the deformation of the magneto­pause), it passed for 2.5 minutes through a thin layer characterized by: (1) increasing density, N, (2) decreasing temperature, T, (3) compression of B, and (4) an increase of the flow velocity, V, well beyond the external magneto­sheath value (Fig. II-2), to be read in reverse direction). At the same time, (5) the energetic particle flux dropped out. While characteristics (1), (2), and (5) are like those of the normal low-latitude boundary layer (LLBL) inside the magnetopause, characteristics (3) and (4) resemble those of the plasma depletion layer (PDL) found outside the magnetopause under northward magnetic field (e.g. as reported from WIND measurements). Distinctly different from the PDL are the sharp transitions of B and V, which are located at the outer edge of the layer. Furthermore, the magnetic field inside the layer is dominated by short-term fluctuations of typically 2-sec duration. Taking all evidence together, we interpret this layer as created by erosion of the magnetospheric field by momentum transfer from the passing pressure pulse (Fig. II-3). That the subse­quently encountered magneto sheath flow is slower than that inside the erosion layer is probably due to the formation of the observed mirror mode waves. By lucky circumstance Equator-S may just have caught the onset phase of the often-postulated viscous interaction.

 

Abb. II-2: Stilisierte räumliche Profile von Dichte (N), Temperatur (T), Geschwindigkeit (V) und Magnetfeld (B) beim Übergang von der Magnetosphäre (MSph) in die Magnetosheath (MS) bei nordwärts gerichtetem interplanetarem Magnetfeld an der Morgen- oder Abendseite. Messungen von WIND werden mit denen von Equator-S verglichen.

Fig. II-2: Stylised spatial profiles of density (N), temperature (T), flow velocity (V) and magnetic field (B) at the transition from magnetosphere (MSph) to magnetosheath (MS) with northward interplanetary field at the morning or evening flanks. Measurements of WIND are compared with those of Equator-S.

Abb. II-3: Ankunft eines Druckanstiegs im Sonnenwind mit Deformation der Magnetopause und Erosion von B an der Flanke.

Fig. II-3: Arrival of a pressure pulse in the solar wind with deformation of the magnetopause and Erosion of B at the flanks.

Wenn magnetische Flussröhren aus dem Sonnenwind mit magnetischen Flussröhren aus der Erdmagnetosphäre verschmelzen, wird magnetischer Fluss von der Tagseite zur Nachtseite der Erde transportiert. Magnetischer Fluss sammelt sich im Schweif der Magnetosphäre an und wird nach einer gewissen Zeit durch die Plasmaschicht hindurch wieder an die Tagseite der Magnetopause zu­rückgeführt. Somit werden Plasma und magnetischer Fluss durch das magnetosphärische System der Erde zirkuliert, wobei die Transportraten von den Bedingun­gen im Sonnenwind abhängen. Obwohl man jedoch grundsätzlich versteht, wie magnetischer Fluss durch die Plasmaschicht zur Erde zurücktransportiert wird, werden viele Details der Transportprozesse im Schweif immer noch nicht gut verstanden. Innerhalb des letzten Jahr­zehnts wurde zunehmend klarer, dass zwei grundlegende Moden von Plasmakonvektion im Schweif existieren: (1) langsamer, unregelmäßiger Fluss mit geringer Trans­port-effizienz und (2) kurze Hochgeschwindig­keits­strö­mun­gen von ~10 min Dauer, welche hochgradig in Richtung Erde orientiert sind und sich durch eine Trans­portrate auszeichnen, die etwa um eine Größen­ordnung höher ist als im Durch­schnitt in der Plasma­schicht. Wir kon­zentrierten uns in einer statistischen Untersuchung auf diese schnellen Plasma­strömungen und benutzten dazu einen Datensatz, der vom japa­nischen Satelliten Geotail während mehrerer Beobach­tungsjahre gewonnen worden war. Da die schnellen Plasmaströmungen in der zentra­len Plasmaschicht nicht nur durch hohe Geschwindig­keiten sondern auch durch starke elektrische Felder cha­rakterisiert sind, und da die Konvektionsgeschwindigkeit des Plasmas in der Plasma­schicht stark von der Entfer­nung zur Erde abhängt, wählten wir in unserer statisti­schen Studie als Selektionskriterium das elektrische Feld, VxB, und nicht die Strömungsgeschwindigkeit, wie in herkömm­lichen Untersuchungen.

 

When magnetic flux tubes of solar wind origin merge with flux tubes of the Earth's magnetosphere, magnetic flux is transported from the dayside to the night side of the Earth. Magnetic flux accumulates in the magneto tail and is eventually returned through the plasma sheet to the dayside magnetopause. Hence plasma and magnetic flux are circled through the whole magnetospheric sys­tem with transport rates that depend on the conditions in the solar wind. However, while there is a basic under­standing of how magnetic flux is returned toward Earth in the plasma sheet, many details of the transport proc­esses in the tail are still not well understood. Within the last decade it became increasingly clear that there exist two basic states of plasma convection in the central plasma sheet: slow, irregular flow with low transport efficiency on the one hand, and, brief ~10 min duration high-speed flows, termed bursty bulk flows, which exhibit a high degree of orientation towards Earth. These are characterized by transport rates about a magnitude higher than in the central plasma sheet on average. In a statistical study we concentrated on these fast plasma flows using an extended set of data acquired by the Japanese satellite Geotail during several years of observation. Since the bursty flows in the central plasma sheet are not only characterized by a high bulk velocity but also by strong convection electric fields, and since the plasma convection velocity in the plasma sheet de­pends strongly on distance from Earth, we chose a new approach in our statistical study by using the VxB elec­tric field as a selection criterion, and not bulk velocity as in conventional studies.

 

 

Abb. II-4: Dargestellt sind die Veränderungen der erdwärts gerichteten Komponente der Plasmageschwin­digkeit, der dominierenden Komponente Vx Bz des elek­trischen Feldes und der Elevation des magnetischen Feldes in einem Zeitfenster von ± 1000s um das Auftre­ten einer erdwärts gerichteten schnellen Strömung in der zentralen Plasmaschicht. Die verschiedenen Linien be­zeichnen die Entfernung von der Erde. Durch­gezogen: 10-15 RE, gepunktet: 15-20 RE, gestrichelt: 20-25 RE und gestrichelt-gepunktet: 25-30 RE.

Fig. II-4: Displayed are the changes of the earthward component Vx of the plasma bulk velocity, of the domi­nant component VxBz of the convection electric field and of the elevation of the magnetic field in a time window of ± 1000 seconds around the occurrence of an earthward directed flow burst in the central plasma sheet. Line styles indicate distance from Earth. Solid: 10-15 RE, dotted: 15-20 RE, dashed: 25-30 RE, and dash-dotted: 25-30 RE.

Wir konnten zeigen, dass bis in Entfernungen von 50 RE die Hochgeschwindigkeitsströmungen für 30-50% des gesamten Transports von Plasma, Energie und magnetischem Fluss in der zentralen Plasmaschicht ver­antwort­lich sind. Ihre Charakteristika ändern sich nicht signifi­kant über Entfernungsbereiche von 15 bis 50 RE Wir benutzten die Methode der Superposed-Epoch-Analyse, um ein klares Bild von den Eigenschaf­ten der schnellen Plasmaströmungen und den typischen Veränderungen von Plasmaschichtparametern, welche in ihrer Beglei­tung auftreten, zu gewinnen. Abb. II-4 zeigt einige Ergebnisse der Superposed-Epoch-Analyse für den Fall erdwärts gerichteter Strömungen. Dabei fanden wir, dass sich die Geschwindigkeit erd­wärts gerich­teter schneller Strömungen mit abnehmender Entfernung von der Erde signifikant verringert, während das elektri­sche Feld ungefähr konstant bleibt. Erdwärts gerichtete schnelle Strömungen stehen in Zu­sammen­hang mit einer Verdickung und einem nicht-adiabati­schen Aufheizen der Plasmaschicht. Sie zeigen einige Charakteristika von „Bubbles“, das heißt von Flussröh­ren, welche weniger Plasma enthalten als ihre Umge­bung. Schweifwärts gerichtete schnelle Strömun­gen, die jenseits einer Distanz von etwa 20 RE beobachtet werden, werden typischerweise von einem Ausdünnen der Plasmaschicht begleitet und zeigen die Charakteris­tika schweifwärts abgestoße­ner Plasmoide. Wir fanden eine weitere Klasse schweif­wärts gerichteter schneller Strömungen, welche in der erdnahen zentralen Plasma­schicht bis zu Entfernungen von etwa 20 RE be­obachtet werden und die nicht durch Plasmoide erklärt werden können. Diese Strömun­gen könnten mit Wirbeln oder Scherströmungen in Zu­sammenhang ste­hen.

 

We could show that out to distances of about 50 Earth radii the high-speed plasma flows are responsible for 30-50% of the total transport of plasma, energy, and mag­netic flux in the central plasma sheet. Their characteris­tics do not show any significant changes over a radial distance range between 15 and 50 Earth radii. We used the method of superposed epochs in order to get a clear picture of the properties of the fast plasma flows and the typical changes of plasma sheet parameters that accompanied these. Fig. II-4 shows some results of the superposed epoch analysis in the case of earthward directed flows. We found that the bulk velocity of earth-ward flows decreases significantly closer to Earth, while their convection electric field stays approximately constant. Earthward flows are associated with a thick­ening and non-adiabatic heating of the plasma sheet. They show some characteristics of ‘bubbles’, i.e. flux tubes containing less plasma than their surroundings. Tail-ward bulk flows beyond radial distances of about 20 Earth radii are typically accompanied by a thinning of the plasma sheet and show the characteristics of tail-ward ejected plasmoids. We found that there is a class of tail­ward flows that can be observed in the near-Earth central plasma sheet, at distances out to about 20 Earth radii, that can not be explained by plasmoids. These flows might be associated with vortices or shear flows.

 

Abb. II-5: Prinzipbild von Polarlicht und Plasmajet in der Ionosphäre und in der Magnetosphäre. Das Polarlicht ist westwärts von den Plasmajets zentriert.

Fig. II-5: Schematic showing the relationship between aurora and plasma flows in the ionosphere and in the magneto­sphere. Expansion aurora is centered west of the flow burst.

Die oben genannten Hochgeschwindigkeits-Plasmajets werden vermutlich durch Rekonnektions-Prozesse im Bereich von 20 RE radialer Distanz erzeugt. Die ionosphärischen Signaturen, wie Polarlicht und elektrische Ströme können dazu beitragen, die Entwicklung der Plasmajets zu identifizieren. Wie im Tätigkeitsbericht 1999 berichtet wurde, sind während dieser Plasmajets verschiedene Polarlichtstrukturen zu sehen. Durch statistische Analyse von mit Geotail in der Magnetosphäre beobachteten Plasmajets und Polarlichtbildern des Satelliten Polar wurden zeitliche und räumliche Zusam­menhänge zwischen Plasmajets und Polarlichtaktivitäten untersucht, insbesondere für die lokale Expansion des Polarlichts und äquatorwärts strömende Polarlichtstrukturen. Während die meisten Polarlichtaktivitäten einige Minuten vor den Plasmajets beginnen, stimmt der Anfang der beiden Ereignisse innerhalb von einer Minute überein, wenn der Fußpunkt von Geotail in der Region liegt, in der die Polarlichtaktivitäten beginnen. Für die Bestimmung der Lage der Plasmajets relativ zu den Polarlichtaktivitäten wurden die Scherströmungen an der Vorderseite des Plasmastroms untersucht. Es zeigte sich, dass die Plasmajets im Mittel etwa 0.4 Stunden in magnetischer Lokalzeit ostwärts der Polarlichtzentren zu sehen sind und in der Morgen-Abend Richtung 3-5 Erdradien breit sind. Diese asymmetrische Lage des Plasmajets zum Polarlichtzentrum deutet darauf hin, dass das Polarlicht in einer Region mit aufwärts gerichtetem feldparallelem elektrischen Strom, westwärts der Plasmajets, liegt. Dieser lokale Zusammenhang unterstützt die Idee, dass ein zur Abendseite gerichtetes elektrisches Polarisationsfeld in der Vorderseite der „Blase“ das Plasma beschleunigt (Abb. II-5).

 

The above-mentioned fast flows are caused most likely by acceleration in the reconnection region, which is usu­ally located tailward of 20 RE. To understand the evolu­tion of these flow bursts, it is essential to determine the relationship between these fast flows and the ionospheric signatures such as aurorae and currents. In the Annual Report for 1999 we had reported that these flow bursts are associated with different types of aurora. Using Geotail flow data taken in the magnetosphere and global auroral images taken from the POLAR satellite we are studying the spatial and tem­poral relationships between the flow bursts and auroral precipitation for flow bursts as­sociated with small expansion and auroral streamers. Although most of these auroral activations precede the observations of the flow bursts by a few minutes, the activations that break up near the foot point of the satel­lite start typically within 1 min of the onset of flow burst observation. We analyzed the structure of the magnetic and flow shear at the front layer of the flows to obtain the center of the flow bursts relative to the center of the auroral activations. On average the location of the flows is centered about 0.4 hours magnetic local time (MLT) east of the center of auroral expansion and the flows have an average dawn-dusk scale of 3-5 RE. The asymmetry about the center of the aurora is consistent with the idea that the aurora corresponds to an upward field-aligned current at the duskside of the flows. The relationship also supports the idea that a dawn-to-dusk polarization electric field is created in the bubble to enhance the flows as shown schematically in Fig. II-5.

 

In Messungen von Elektronenspektren im Polarlichtoval werden häufig feldparallele Elektronenstrahlen beobachtet. Der physikalische Prozess, der zu solchen von einer Maxwell-Verteilung abweichenden Elektronen­ver­teilungsfunktionen in der Polarlichtzone führt, ist immer noch nicht vollständig verstanden. Am wahrschein­lichsten sind sie auf das Eindringen höher gelegener elektrischer Felder in das dichtere und kühlere Ionosphärenplasma zurückzuführen.

 

Field–aligned beams of electrons are frequently observed in measurements of auroral incident electron energy spectra. The physical mechanism that leads to such non–Maxwellian distributions in the auroral zone is still not fully understood, but is most likely due to the penetration of high altitude electrostatic fields into the denser cool plasma of the topside ionosphere.

 

Abb. II-6: Übersichtsplot von Teilchendaten, sowie von elektrischen und magnetischen Feldern, beobachtet von Freja am 2. April 1994, als intensive feldparallele Elektronenstrahlen gemessen wurden. Die oberen 3 Panels zeigen Elektronenspektrogramme vom TESP Instrument. In Panels 1,2 und 3 sind der feldparallele, der senkrechte, und der antiparallele Elektronenkanal dargestellt. Die rote (schwarze) Farbskala zeigt einen totalen Energiefluss von 109 (106) in Einheiten von keV/(cm2–str–s–keV) an. In Panel 4 und 5 sind zwei senkrechte elektrische Feldkomponenten dargestellt. Panel 6 und 7 zeigen die Nord– und Ostkomponenten des magnetischen Feldes. Die Position des Satelliten ist im unteren Teil angegeben.

Fig. II-6 Summary plot of particle and field data observed by Freja on April 2, 1994 when bursts of field–aligned electrons were measured. The top three panels show electron energy-time spectrograms from the TESP instrument. Panels 1, 2, and 3 illustrate the field–aligned, the near–perpendicular, and the anti-parallel angular electron channel. The red (black) color level indicates a total energy flux of 109 (106) keV/(cm2–str–s–keV). Panels 4 and 5 illustrate two perpendicular electric field components. Panels 6 and 7 show the magnetic north and east component of the perturbation magnetic field. The satellite location is given at the bottom.

Elektrische und magnetische Feldmessungen, sowie Messungen der Teilchenverteilungen mit dem Freja-Satelliten werden dazu verwendet, die Charakteristik solcher Elektronenstrahlen zu untersuchen. Abb. II-6 zeigt Elektronenspektren, sowie das elektrische und magnetische Feld der Freja-Beobachtungen vom 2. April 1994 als intensive feldparallele Elektronenstrahlen gemessen wurden. Der absolute Elektronenfluss als Funktion des Pitchwinkels und der Zeit wird durch die Farbskala illustriert.

Electric field, magnetic field, and particle distribution measurements made by the Freja satellite were used to study the characteristics of such electron beams. Fig. II-6 shows a summary plot of electron spectra, as well as electric and magnetic field data observed by Freja on April 02, 1994, where intense field–aligned electrons were measured. The total energy flux is illustrated on a colour scale as function of pitch angle and time.

 

Strahlen feldparalleler Elektronen sind während des gesamten Zeitintervalls erkennbar. Sie treten zusammen mit sogenannten „Inverted-V“ Ereignissen magneto­sphährischen Ursprungs auf oder auch unabhängig von ihnen. Die feldparallelen Elektronen bilden klar ausgebildete, gebündelte Strahlen. Die Flüsse dieser Elektronen­strahlen übersteigen die der „Inverted-V“ Ereignisse um etwa einen Faktor 2. Dies ist in Abb. II-7 erkennbar, wo differentielle Energieflüsse für vier verschiedene Pitchwinkel-Intervalle dargestellt sind.

 

Bursts of field–aligned electrons were observed throughout the whole time interval. They can appear together with inverted-V precipitation events (isotropic fluxes centred at high energies), which are of magnetospheric origin, as well as independent of them. The field–aligned electrons are clearly separated, latitudinally confined bursts. The fluxes exceeded those of the inverted-V's by a factor of ~ 2. This is also visible in Fig. II-7 where the differential energy fluxes were shown for four separate pitch angle intervals.

 

Abb. II-7: Differentieller Energiefluss für vier Pitch­winkel: zweimal feldparallel, senkrecht und antiparallel zum magnetischen Feld. Die Pitchwinkel der Schnitte sind links oben angegeben. Die Spektren wurden aus Abb. II-6 um 1022:14 – 1022:15 UT, und 1022:50 – 1022:51 UT entnommen.

Fig. II-7: Differential energy flux for four pitch–-angles: most parallel, second most parallel, perpen­dicular and nearest—to–antiparallel to the magnetic field. The value of each pitch angle where the slices are made are given at the top. Note the cut-off energy around 1 keV. The spectra have been extracted from Fig. II-6 at 1022:14 – 1022:15 UT, and 1022:50 – 1022:51 UT.

Im Vergleich zu den niedrigeren senkrechten Flüssen sehen wir in allen Beispielen eine dramatische Erhöhung der feldparallelen Flüsse in einem breiten Energiebereich, was auf einen ineffektiven Heizprozess senkrecht zum Magnetfeld schließen lässt. Der Energiebereich der feldparallelen Elektronen liegt bei ~20 eV bis zu einer Grenze bei typischerweise 1-2 keV. An den Rändern der „Inverted-V“ Strukturen wird eine Erweiterung des
Energie­bereiches bis zum isotropen Maximum beobachtet (z. B. bei 1021:26 UT und 1021:34 UT). Innerhalb der „Inverted-V“ Strukturen bleibt die Energie weit unter dem isotropen Maximum. Die Teilchen und Felddaten wurden benutzt, um das Auftreten der feld­parallelen Elektronen in Abhängigkeit von Breite und Lokalzeit, sowie deren Temperatur und Dichte zu bestimmen. Es stellte sich heraus, dass die feldparallelen Elektronen elektrischen Strömen mit beachtlichen Strom­dichten ent­sprechen, manchmal bis zu 5–10
mA/m2.

 

A dramatic enhancement of the field–aligned fluxes compared to the low perpendicular fluxes over a broad energy range can be observed in all examples. This shows that there is very little transverse heating. The energy range of the field–aligned electrons extends from ~ 20 eV (lower limit of the TESP instrument) to a cutoff energy of typically 1– 2 keV. Coinciding with the edges of the inverted–V precipitation, an extension of the spectral range up to the isotropic peak was observed (e.g. 1021:26 UT and 1021:34 UT). Inside the inverted–V structures the energy remained well below the isotropic peak. The particle and field data were used to characterize the field–aligned electrons in terms of temperature, density and occurrence in latitude and local time. The field–aligned electron fluxes correspond to field–aligned electric currents of considerable density, sometimes up to 5–10 mA/m2.

 

Die Beschleunigung von Elektronen im Strahlungsgürtel während geomagnetischer Stürme könnte durch die Wechselwirkung mit ULF Wellen erfolgen. Um diese Modelle zu testen, haben wir die ULF Wellen Beobachtungen mit dem Equator-S Satelliten von der gesamten Missionszeit mit den Elektronenbeobacht-ungen des Satelliten Polar korreliert. Während starker geomagnetischer Stürme war ein schneller Anstieg der Intensität von MeV Elektronen mit eine Verstärkung in der ULF Wellenaktivität auf der Morgenseite der Magnetosphäre bis innerhalb L < 6 korreliert. Die ULF Wellenaktivität war hinreichend stark oder sogar größer, als für die verschiedenen ULF Beschleunigungsmodelle erforderlich ist. Jedoch deuten die Änderungen in den Pitchwinkeln der Elektronen darauf hin, dass die Be-schleunigungsmechanismen durch Driftresonanz mit ULF Wellen nur vor der frühen Erholungsphase angewandt werden können.

 

Acceleration of electrons due to interaction with the ULF oscillations is considered to be an explanation for the radiation belt electron flux enhancement during geo­magnetic storms. We are examining the ULF wave properties observed by the Equator-S satellite and the relativistic electron flux variation observed by the POLAR satellite during the entire Equator-S mission. For the major mag­netic storms rapid enhancement of MeV electrons was accompanied by an enhancement in the ULF wave acti­vation in the dawnside magnetosphere extending down to L < 6. The level of ULF wave power was suffi­cient to that predicted in the ULF acceleration models, although the change in the electron pitch angles suggests that a model considering drift resonance with ULF waves can be applied only until the early recovery phase of the storm.

 

Bei magnetosphärischen Teilstürmen tritt Rekonnexion im Schweif der Erdmagnetosphähre auf. Da das Plasma im Erdmagnetschweif stoßfrei ist, basiert die Kopplung zwischen Teilchen und Feldern auf kollekti­ven Prozes­sen und eine korrekte Beschreibung der Dy­namik erfor­dert kinetische Methoden. Um die kineti­schen Prozesse in der Folge erdnaher Rekonnexion zu untersuchen, wurden Simulationsrechnungen durchge­führt, bei denen die Ionen als Teilchen und die Elektro­nen als masselose Flüssigkeit modelliert werden. Aus den Simulationser­gebnissen ergab sich folgendes Szena­rio: Nach Einsetzen der erdnahen Rekonnexion wird ein Plasmoid schweif­wärts abgelöst, in Übereinstimmung mit magnetohydro­dynamischen Rechnungen. Diese Ablösungsbewegung führt zu einem konvektiven elektri­schen Feld in der Äquatorialebene, in welchem Ionen beschleunigt wer­den. Die beschleunigten Ionen bilden ausgeprägte nicht-Maxwellsche Geschwindigkeitsver­teilungen, welche genügend freie Energie enthalten um eine globale Insta­bilität in der äquatorialen Strom­schicht anzuregen. In einem nichtlinearen Stadium der Instabili­tät tritt eine Kaskadierung zu höheren Frequen­zen/Wellenzahlen auf, die in entwickelter Turbu­lenz mündet und zum Aufbre­chen der Stromschicht führt (Abb. II‑8). Dieser Mechanismus eröff­net eine Alternative zum Pet­schek-Modell, bei dem die Heizung und Isotropisierung des Plasmas an langsamen Stosswellen geschieht. Um die Dynamik geladener Teil­chen in den turbulenten Magnetfeldern besser zu verste­hen, wurden außerdem theoretische Untersuchen durch­geführt mit dem Ziel, das Langzeitverhalten der Trajekt­orien zu charak­teri­sieren. Dabei wurde mit Hilfe der Perkola­tions­theorie ein Krite­rium für die minimale kine­tische Energie aufgestellt, ab welcher die Trajektorien ungebunden werden und effek­tive Diffusion auftritt.

 

Magnetospheric substorms are accompanied by recon­nection in the magnetotail of the Earth. Since the plasma in the Earth’s magnetotail is collisionless, the coupling between particles and fields is provided by collective effects, and a correct description of the dy­namics re­quires kinetic methods. In order to investigate the kinetic processes in the course of near-Earth recon­nection, we performed computer simula­tions where the ions were treated as particles and the electrons were modelled as a charge-neutralizing, massless fluid. From these simulations the following scenario emerged. After onset of near-Earth reconnection a plasmoid is ejected tail­ward, in agree­ment with magnetohydrodynamic simula­tions. This tailward motion leads to a convective electric field in the equatorial plane, in which the ions are accel­erated. The accelerated ions form strongly non-Maxwel­lian velocity distributions, which contain enough free energy to drive a global instability of the equatorial cur­rent sheet. In a nonlinear stage of this instability cas­cad­ing to higher frequencies and wave numbers occurs which leads to turbulence and to the break up of the cur­rent sheet (Fig. II‑8). This mechanism suggests an alternative ex­planation to the classical Petschek model, where heating and isotropisa­tion is afforded at slow mode shocks. For a better under­standing of particle dynamics in turbulent magnetic fields, we have made theoretical investigations to char­acterize the long-term behaviour of the trajectories. Using methods of percolation theory, we deduced a crite­rion for the mini­mum kinetic energy, at which trajecto­ries become unbounded and effective diffusion sets on.

 

Abb. II-8: Kinetisches Szenario der erdnahen Rekonne­xion.

Fig. II-8: Kinetic scenario of near-Earth reconnection.

Es wurde ein Teilchen-Welle-Wechselwirkungsprozess vorgeschlagen, der bei der Injektion und Beschleunigung von Protonen an quasi-parallelen Stoßwellen wichtig ist. Der Prozess basiert auf nicht-resonanter Wechsel­wirkung von reflektierten thermischen Protonen in
stromaufwärtigen Wellen großer Amplitude. Da die Skalen der Stoßwelle durch die Majoritätskomponente, die Protonen, bestimmt werden, ist es nicht von vornherein evident, dass dieser Prozess auch für eine Minoritäts­komponente wie He2+ wirksam ist. Es wurden daher sowohl Testteilchenrechnungen als auch selbst-konsistente Hybrid-Simulationen von stoßfreien Stoß­wellen unter Berücksichtigung von He2+ als zusätzlicher Ionenkomponente durchgeführt. Testteilchen­rechungen ergeben, dass He2+ Ionen zu höheren Energien als Protonen beschleunigt werden. Dies ist in selbstkonsistenten Rechnungen jedoch nicht der Fall, was zeigt, dass schon wenige Prozent von He2+ Ionen den Stoß modifizieren und dadurch wiederum die Injek­tions/Beschleu-nigungsrate von He2+ Ionen beeinflussen.

 

Recently we have proposed a new wave-particle inter-action process, which may be important for acceleration at quasi-parallel shocks. The interaction describes the extraction and acceleration processes from thermal to non-thermal high-energy protons. We have now investi-gated whether these processes also work for minor ions, in particular for He2+ ions. Spacecraft observations at the terrestrial bow shock have actually confirmed the existence of non-thermal He2+. However, since the shock structure and wave character­istics of the upstream waves are determined by the pro­ton scale, it is not obvious whether these processes also work for He2+ ions. We have calculated the orbits of He2+ ions both in a test particle calculation and in a self-consistent hybrid simulation. In the test-particle calcula­tion, some of the selected He2+ ions stay around the shock much longer and are accelerated to considerably higher energy than protons. In the hybrid simulation, however, trapping of He2+ ions for such long times does not occur. This suggests that in a realistic self-consistent shock system, there is / are additional process(es) to re­lease the He2+ ions from a shock region before accelera­tion to high energies occurs.

 

Die Frage ist, wie Ionen aus der thermischen Verteilung extrahiert und dann an quasi-senkrechten Stoßwellen beschleunigt werden. Eine Möglichkeit ist die Ionen­diffusion senkrecht zum Magnetfeld. In Simulationen, in denen zumindest eine räumliche Koor­dinate vernachlässigt wird, wird die senkrechte Ionen­diffusion unterdrückt. Deshalb kann in ein- und zweidimen­sionalen Simulationen Ionendiffusion senk­recht zum Magnetfeld nicht auftreten. Es wurden zwei­dimen­sionale Simulationen für quasi-senkrechte Stoßwellen durchgeführt, in denen „ad hoc“ ein Streume­cha­nismus eingebaut wurde. Nimmt man vernünftige Streuzeiten an, dann werden an der Stoßwelle spekular reflektierte Ionen sehr schnell durch die stromabwärtigen Alfvén Ion Zyklotronwellen in ihrem Pitchwinkel gestreut und dann in einen Beschleunigungsprozess eingebracht.

 

It is also an open question as to how ions are extracted from the thermal population and are injected into a subsequent acceleration mechanism at quasi-perpendicular shocks. One possibility is cross-field diffusion. Cross-field diffu­sion is inhibited in simulations with at least one ignor­able spatial coordinate. Thus one- and two-dimensional simulations cannot result in cross-field diffusion. We have performed two-dimensional simulations of quasi-perpendicular shocks, where we have included an ad hoc cross-field scattering mechanism. Assuming reasonable cross-field scattering times, the specularly reflected ions are rapidly scattered in pitch angle by the downstream Alfvén ion cyclotron waves and are subsequently in­jected into an acceleration process.

 

Teilchensimulation zeigt, dass Verteilungsfunktion und Wellenspektrum meist eine erhebliche Evolution durchlaufen. Sogar die Natur der angeregten Wellen kann sich verändern. Um zu entscheiden ob die Evolution des Wellenspektrums durch nichtlineare Wellenkopp­lungseffekte oder eine Veränderung in der Quelle der freien Energie ist, d.h. durch einen quasilinearen Effekt bewirkt wurde, ist es daher not­wendig die Dispersionsbeziehung für die evolvierenden, meist stark nicht-Maxwellschen Verteilungsfunktionen zu berechnen. Eine solche Instabilitätsanalyse wurde für Teilchensimulationen von durch einen Elektronenstrahl angeregten Wellen durchgeführt, wie sie in der Nord­licht­zone vorkommen können. Obwohl ursprünglich, wie erwartet, Wellen mit Wellenrichtung nahe der Mag­net­feldrichtung dominieren verändert sich das Wellen­spektrum mehr und mehr zu Moden mit größerem Winkel zur Magnetfeldrichtung. Die Instabilitätsanalyse zeigt, dass diese Veränderung mit quasilinearen Effekten gekoppelt ist. Die Elektronenstrahlverteilung bildet ein Plateau, aber entwickelt eine neue freie Energiequelle, die von Anisotropien herrührt. Stark schräge Moden können „ion conics“ durch senkrechte Wellenheizung und nachfolgende Beschleunigung entlang des Magnetfeldes erzeugen.

 

Particle simulations reveal that particle distribution functions and the wave spectrum usually undergo a very significant evolution. Even the nature of excited wave modes may change. In order to decide if the evolution of the wave spectrum is due to nonlinear wave coupling effects or due to changes in the free energy source, i.e. a quasilinear effect, the dispersion relation must be analysed for the evolving, usually strongly Maxwellian particle distribution functions. Such an instability analy­sis has been carried out for particle simulations of elec­tron beam excited waves as they may occur in the auro­ral region. Although initially wave modes which are closely aligned with the magnetic field dominate, as expected, the spectrum shifts to more and more oblique modes. The instability analysis shows that this shift is associated with quasilinear effects. The electron beam is flattened, but the electron distribution function develops a new free energy source connected with anisotropies. Highly oblique wave modes can produce ion conics by perpendicular heating and subsequent acceleration along the magnetic field.

 

Plasmen strahlen für gewöhnlich nur sehr schwach im Radiowellenbereich. Unter den Bedingungen der sehr niedrigen Plasmakonzentration in der auroralen Magnetosphäre, wo die Plasmafrequenz weit unter der Zyklotronfrequenz der Elektronen liegt, transportiert die sogenannte aurorale Kilometerstrahlung (Radiostrah-lung im Wellenlängenbereich von einigen Kilometern) bis aber zu 1% und mehr der totalen Energie eines Substurms in den Weltraum. Diese Tatsache wird gewöhnlich auf die Wirkung eines Zyklotron-Maser-Mechanismus zurück­geführt, der durch den teilchenfreien Verlustkegel (Loss Cone) der Elektronenverteilungsfunktion gespeist wird. Die Messungen des Satelliten FAST haben nun gezeigt, dass im Gegensatz zu dieser Annahme intensive, zum Magnetfeld parallele elektrische Felder im Quell­gebiet der Strahlung die Gestalt der Vertei­lungs­funk­tion zu einer Ringverteilung deformieren, deren Verlustkegel kaum bemerkbar ist. Diese Beobachtung setzt die ursprüngliche Theorie außer Kraft. Zudem zeigt die Inspektion des Frequenzspektrums der Strahlung, dass die Emission im Quellgebiet bei Frequenzen unter der Zyklotronfrequenz liegt, was ebenfalls in Wider­spruch zur herrschenden Theorie steht. Zusätzlich erweist sich die Strahlung zusammengesetzt aus vielen sehr schmal­bandigen, durch das Spektrum driftenden und kurzlebigen elementaren Emissionsquellen. Diese können als Elektronenfehlstellen in der Elektronen­flüssigkeit, sogenannte Elektronenlöcher mit postiver Ladung, identifiziert werden. Das Plasma hat damit Eigenschaften, die denen eines Halbleiters ähneln. Die Strahlung im Radioband wird an den Phasenraumgradienten dieser Elektronenlöcher erzeugt, da diese eine Inversion der Elek­tronenzustände bedeuten. Jedes Loch emittiert zwischen 10-100 W Radioleistung. Die totale Leistung von 10 Megawatt entsteht durch die Superposition von bis zu 1 Million solcher Löcher. Im Spektrum (siehe Abb. II-9) erkennt man ihre Bewegung im Raum als Frequenzdrift. Das lokale elektrische Feld, das die Defor­mation der Elektronenverteilung hervorruft, zeigt sich als Region, an der die Löcher reflektiert werden.

 

Radio emission from plasma is usually a very weak ef­fect since at such low frequencies not much energy is radiated away. However, under the conditions of the auroral magnetosphere where the plasma fre­quency is much less than the electron cyclotron fre­quency, the auroral kilometric radiation (AKR) is known to transport away between 1% and 10% of the total sub­storm energy. This has been conventionally explained by the action of a cyclotron maser mechanism on the loss-cone of the electron distribution. Measurements from the spacecraft FAST have now demonstrated that strong parallel elec­tric fields in the radiation source region de­form the dis­tribution into a ring with practically no cold plasma present and only a weak loss-cone. This invali­dates the conventional theory and all its applications in astro­physics. Inspection of the radiation spectra at high time and frequency resolution shows that all of the ra­diation is composed of narrow and fast drifting radiation sources that can be identified as electron holes, small holes in the electron fluid that have the character of locally positive charges. The plasma thus exhibits some properties of semiconductors. The radiation is caused by the local phase space gradients of these holes. Each hole may emit between 10-100 W of radio power. The ob­served total radiation of 10 Million W is thus the super­position of 100000 to 1 Million such holes. In the spec­trum (Fig. II‑9) their motion in space appears as a frequency drift, and the local electric field causing the deformation of the distribution function is seen as the region from where the holes are reflected.

Abb. II-9. Das dynamische Spektrum der auroralen Kilometerstrahlung in höchster Frequenz- und Zeit­auflösung, aufgenommen von FAST. Die Strahlung setzt sich aus einer sehr großen Zahl von im Spektrum driftenden elementaren Strahlungsquellen zusammen. Die Quellen bewegen sich entlang dem Magnetfeld. Die jeweils von ihnen emittierte Frequenz liegt nahe, jedoch unterhalb der lokalen Elektronenzyklotronfrequenz.

Fig. II-9. High frequency and high time resolution dy­namic spectrum of auroral kilometric radiation exhibit­ing the fact that AKR is composed of the radiation of a large number of drifting elementary radiators. The mo­tion of these radiators is along the magnetic field, and the emitted frequency is at the local electron cyclotron frequency.

  Arzner, Bauer, Baumjohann, Dum, Georgescu, Haerendel, Kato, Klecker, Kucharek, Leutschacher, Nakamura, Paschmann, Schoedel, Scholer, Sugiyama, Treumann


1.2   Sonne und Heliosphäre


1.2   Sun and Heliosphere

Im Bereich Physik der Sonne und Heliosphäre beschäftigen wir uns mit der Untersuchung von solaren Aktivitätsgebieten und mit Beschleunigungsprozessen an Stosswellen im inter-planetaren Raum, die zum Beispiel durch koronale Massenauswürfe auf der Sonne erzeugt werden. Die in-situ Messungen erlauben die Bestimmung von Isotopen-, Element- und Ladungshäufigkeiten im solaren Wind und von suprathermischen Teilchen, die Aufschluss über Fraktionierungs- und Beschleu­nigungs­prozesse geben.

 

In our solar and heliospheric physics group we investigate active regions on the sun, and acceleration processes on the sun and in interplanetary space, for example at shock waves caused by coronal mass ejections. The in-situ measurements also provide direct measurements of isotopic, elemental, and ionic charge composition of the solar wind and suprathermal particles that provide insight into fractionation and acceleration processes.

Zusammen mit der Arbeitsgruppe Sonnenphysik am Observatorium in Ondrejov, Tschechische Republik, haben wir in den Jahren 1999 und 2000 mehrere eruptive Protuberanzen untersucht. Dazu wurden Ha-Beobach­tungen aus Ondrejov mit Daten kombiniert, die mit dem Extreme Ultraviolet Telescope (EIT) des Satelliten SOHO und dem Soft X-Ray Telescope (SXT) auf dem Satelliten Yohkoh gewonnen wurden. Für das Ereignis am 27. Mai 1999 konnte ein interessanter Zusammenhang zwischen kaltem und heißem Plasma gefunden werden: Die Ha-Beobachtungen zeigten, dass sich das ausgestoßene Material mit einer Geschwindigkeit von etwa 500 km/s von der Sonne fortbewegt. Mit Hilfe spezieller Bildverarbeitungsmethoden wurde herausgefunden, dass direkt vor und hinter dem sich bewegenden Material auffallend wenig Emission zu messen ist. Die relativ kühlen Strukturen (mit Temperaturen um 104 K), die in der Ha-Linie sichtbar sind, wurden nun mit der viel heißeren Emission (um 106 K) verglichen, die mit EIT und SXT beobachtet wurden. Es zeigte sich, dass heißes Plasma genau dort auftrat, wo sich im Ha-Licht nur wenig Emission zeigte: Mit EIT wurde herausge­schleudertes Material beobachtet, das den Ha-Strukturen vorauseilte, während mit SXT bogenförmige Strukturen direkt dahinter sichtbar waren. Diese Beobachtung zeigt, dass während des Materieauswurfs kühles Plasma in heißes Plasma eingebettet ist.

 

Together with the Solar Physics Group at Ondrejov Observatory, Czech Republic, we have analysed several eruptive prominences in 1999 and 2000. We have combined Ha-observations made at Ondrejov, with data taken by the Extreme Ultraviolet Telescope (EIT) on the SOHO satellite and by the Soft X-Ray Telescope (SXT) onboard Yohkoh. For the event that took place on May 27, 1999, we found an interesting relationship between cold and hot plasma: The Ha-observations show that the erupting material is moving away from the Sun with a velocity of about 500 km/s. Special image processing methods revealed that there is a substantial lack of emission at regions directly preceding and trailing the moving material. We compared the relatively cool Ha- structures (with temperatures of about 104 K) with the much hotter emission (about 106 K) seen in EIT and SXT, and we found that hot plasma was present at the regions with very low Ha-intensity: erupting material seen in EIT preceded the Ha eruption, while hot loops became visible in SXT directly behind it. This shows that the cooler Ha structures are embedded in hot plasma during the eruption.

 

Unsere Beobachtung kann die wichtige Frage klären helfen, warum einige Protuberanzen instabil werden und schließlich zu einem Materieausstoß führen. Nachdem die heißen Strukturen oberhalb der Protuberanz früher sichtbar waren als die bogenförmigen Strukturen darunter, unterstützt unsere Beobachtung die Vorstellung, dass eine Instabilität in den hochliegenden magnetischen Strukturen oberhalb der Protuberanz die Eruption aus­löst.

 

Our observations help to understand the important question of why some prominences become unstable and finally erupt. Since the hot structures above the prominence appeared much earlier than the hot loops underneath, our observations support the idea that an instability of this high-lying loop system above the prominence was responsible for the eruption.

 

Die in-situ Untersuchung der Element-, Isotopen, und Ladungszusammensetzung des Solaren Windes und suprathermischer Teilchen ist aus mehreren Gründen sehr interessant: Einmal ist die Sonne der einzige Stern, von dem wir Materie zur Untersuchung der Element- und Isotopenzusammensetzung erhalten können, zum anderen liefert die Untersuchung der Zusammensetzung des Sonnenwindes und suprathermischer Teilchen Aufschluss über Fraktionierungsprozesse, sowie über Beschleunigungs- und Transportprozesse auf der Sonne und im interplanetaren Raum.

The in-situ study of elemental, isotopic and ionic charge composition of the solar wind and of suprathermal parti­cles is of great importance in several respects. Firstly, the Sun is the only star from which matter can be collected to investigate its elemental and isotopic composition. Secondly, the composition of the solar wind and of suprathermal particles provide information on fractio-nation processes on the Sun, and on acceleration and propagation processes on the Sun and in interplanetary space.

 

Materie von der Sonne stellt die Referenz für die ursprüngliche Materiezusammensetzung eines proto-solaren Nebels dar, aus dem sich unser Sonnensystem entwickelt hat. Von „in situ“ Messungen im Sonnenwind bekommt man Information über die heutige Isotopen-zusammensetzung in der äußeren konvektiven Zone der Sonne. Die Dynamik des Sonnenwindes wird durch die Topologie der magnetischen Flussröhren auf der Sonne bestimmt und diese ist für den schnellen und den langsamen Sonnenwind unterschiedlich. Der langsame Sonnenwind kommt aus Regionen mit geschlossenen Fluss-röhren, während der schnelle Sonnenwind entlang offener Flussröhren aus sogenannten koronalen Löchern entweicht. Wir analysierten die Häufigkeiten der Magnesium Isotope mit dem Flugzeitspektrometer MTOF des SOHO Satelliten, um Isotopen-Fraktionierungsprozesse im Solaren Wind zu untersuchen.

 

Solar matter is a reference for the original composition of the protosolar nebula from which the solar system formed. From in-situ measurements of the solar wind one obtains information on the present-day isotopic composition of the outer convective zone of the Sun. The flow dynamic of the solar wind is determined by the magnetic topology of the flux tubes and is differ­ent for slow and fast solar wind, respectively. The slow solar wind originates from closed field line regions whereas the high-speed solar wind is emitted from regions with open flux tubes in coronal holes. We analysed magnesium isotopic abundances with the Mass Time-of-Flight (MTOF) spectrometer onboard SOHO to study isotope fractionation effects in the Solar Wind.

 

Als Indikator für schnellen und langsamen Solaren Wind verwendeten wir charakteristische Unterschiede in der Fe/O und He/H Elementzusammensetzung, sowie in der Einfriertemperatur von Fe. Unabhängig vom Auswahl-kriterium ergab sich eine Abreicherung der schwereren Magnesium Isotope (Mg26) im langsamen Solaren Wind um etwa 1.5 ± 1.4% (2 sigma) per Masseneinheit relativ zum schnellen Solaren Wind. Diese nur von der Masse abhängige Fraktionierung lässt sich durch den Prozess der "Ineffizienten Coulomb-Kopplung“ erklären und ist viel­leicht auch für die Abreicherung von Helium relativ zu Protonen im langsamen Solaren Wind verantwortlich.

 

We used characteristic differences in the Fe/O and He/H elemental composition and in the freeze-in temperature of iron as indicators for the two different types of solar wind plasma. All results indicate that there is a depletion of heavier Magnesium isotopes (Mg26) in the slow solar wind that is of the order of 1.5 ± 1.4% (2 sigma error) per mass unit compared to its abundance ratio in the fast/coronal hole associated solar wind. This mass de­pendent frac­tionation effect is consistent with inefficient Coulomb drag that may also be the cause for the helium depletion observed in the slow solar wind.

 

Abb. II-10: Typisches Beispiel für einen starken Anstieg der mittleren Ladung von Fe Ionen mit der Energie (linkes Bild). Mittlere Ladung von Fe Ionen im Energiebereich 0.04 bis 0.4 MeV/Nuk, gemessen mit SOHO und ACE. In diesem Falle ist der Anstieg der mittleren Ladung von Fe mit der Energie klein, charakteristisch für lokale Beschleu­nigung an interplanetaren Schocks (rechtes Bild).

Fig. II-10: Typical case of a large increase of the mean ionic charge of heavy ions with energy (left hand panel). Mean ionic charge of Fe in the energy range 0.04 to 0.4 MeV/nuc observed with SOHO and ACE. This event shows only a small increase of the mean ionic charge, typical for local acceleration at interplanetary shocks (right hand panel).

Die Ionenladungszusammensetzung suprathermischer Ionen ist ein empfindlicher Indikator für die Temperatur der Quellregion der Teilchen. Außerdem hängen Beschleunigung und Transport im Allgemeinen von Geschwindigkeit und magnetischer Steifigkeit der Teilchen, also auch von Masse und Ladung ab. Mit unseren Experimenten auf den Raumsonden SOHO und ACE (Advanced Composition Explorer) setzten wir unsere früheren Messungen (ISSE-3, SAMPEX) der Ladungszusam-mensetzung von an interplanetaren Stosswellen beschleunigten suprathermischen Ionen fort. Die neuen Messungen mit wesentlich verbesserter Auflösung und Empfindlichkeit zeigen, dass die mittlerer Ladung schwerer Ionen im Energiebereich ~ 40 bis 1000 keV/Nuk in vielen Ereignissen mit der Energie ansteigt, wobei eine starke Variabilität von Ereignis zu Ereignis beobachtet wird. Dieser Anstieg ist für Eisenionen am stärksten ausgeprägt und reicht von Q ~ 10 bei Solar Wind Energien bis zu ~ 11-15 bei Energien von ~1 MeV/Nukleon. Abb. II-10 (linkes Bild) zeigt einen typischen Fall für einen starken Anstieg der mittleren Ladung mit Energie um etwa 4 Ladungseinheiten.

 

The ionic charge composition of suprathermal ions is a sensitive indicator for the temperature of the source re­gion. Besides that, the acceleration and transport proc­esses depend significantly on velocity and rigidity, i.e. on the mass and ionic charge of the ions. With experi­ments onboard the SOHO and Advanced Composition Explorer (ACE) spacecraft we extend our earlier meas­urements of the ionic charge composition of suprather­mal ions accelerated at coronal or interplanetary shocks with ISEE-3 and SAMPEX to lower energies. The new measurements with much improved resolution and sen­sitivity show that the mean ionic charge in the energy range ~ 40 to 1000 keV/nuc increases with energy in many events, with a large event-to-event variability. The increase of the mean ionic charge from solar wind energies to ~1 MeV/nuc is most noticeable for iron and ranges from Q ~ 10 in the solar wind to 11-15 at ~1 MeV/nuc. A case with a large increase of 4 charge units between 0.1 and 1 MeV/nuc is shown in Fig. II-10, left hand panel.

 

Zur Erklärung des Anstiegs der mittleren Ladung mit der Energie kommen mehrere Mechanismen in Frage. Ein großer Anstieg um mehrere Ladungseinheiten bis Q ~14 bei 1 MeV/Nukleon könnte durch zusätzliche Ioni­sierung nahe an der Sonne hervorgerufen werden. In einer Umgebung, für die Ne * t ~1010 gilt, wobei Ne die Elek­tronendichte und t die Beschleunigungszeit ist, wird die Ionenladung im Wesentlichen durch zusätzliche Ioni­sierung bestimmt und steigt mit der Energie an (Abb. II-10, linkes Bild). In diesem Falle kann eine genaue Be­stimmung der mittleren Ladung Aufschluss über den Beschleunigungsort in der Korona der Sonne geben. In einer Umgebung mit niedriger Dichte, wie z.B. im Inter­planetaren Raum, ist dieser Prozess nicht effektiv. Dafür können aber von der magnetischen Steifigkeit abhängige Beschleunigungs- und Transport­prozesse zu einer leich­ten Erhöhung der mittleren Ladung mit der Energie führen. Ein Beispiel dafür zeigt Abb. II-10 (rechtes Bild). Hier ist der Anstieg der mitt­leren Ladung von Eisenionen bei einem interplanetaren Schock gezeigt und mit einem Modell verglichen, in dem die Beschleunigung von schweren Ionen an von Protonen erzeugten Alfvén Wellen bei sphärische Geometrie angenommen wird. Der nur sehr schwache Anstieg der mittleren Ladung mit Energie um 1–2 Ladungseinheiten, wie er typischerweise bei lokaler interplanetarer Beschleunigung beobachtet wird, ist kompatibel mit diesem Prozess.

 

There are several mechanisms that could cause an increase of the mean ionic charge with energy. Large increases of the mean ionic charge of iron at energies of 1 MeV/nuc could be caused by additional ionisation in the sufficiently dense environment of the lower corona. In an environment with Ne * t ~ 1010, with electron density, Ne, and residence or acceleration time, t, the ionic charge is determined by stripping of electrons. This results in a large increase of the mean ionic charge with energy as shown in Fig. II-10 (left hand panel). In this case, a precise determination of the mean ionic charge can provide information on the location of the acceleration in the corona. On the other hand, in the low-density environment of interplanetary space or high corona, this mechanism will not work and rigidity dependent acceleration and transport effects at interplanetary shocks could be important. This is demonstrated in Fig. II-10 (right hand panel) showing the expected increase of the mean ionic charge of iron for acceleration by a spherical shock where the heavy ions are scattered by proton-excited waves. The small increase of the mean ionic charge with energy as typically observed in interplanetary events with local acceleration would be consistent with this process.

Bogdanov, Czaykowska, Klecker, Kucharek, Rank

 

1.3   Planeten, Kometen, Staub


1.3   Planets, Comets, Dust

Nach den fünf Einschlägen, die das am MPE gebaute Instrument CIDA auf STARDUST registriert hat, sind 1999 keine weiteren hinzugekommen. Erst am 3. April 2000 kam ein sechstes Ereignis dazu, das ein ähnlich komplexes, aber weniger differenziertes Spektrum zeigt, so wie es wegen der geringeren Relativgeschwindigkeit auf dem zur Erde zurückführenden Bahnsegment zu erwarten ist. Ein interplanetares Teilchen wurde nicht entdeckt, da das Gerät im letzten Teil der Bahn aus-geschaltet oder durch das Raumschiff verdeckt war. Erst Anfang 2001 wird CIDA wieder eingeschaltet und sein Target auf den interstellaren Staubfluss ausgerichtet werden.

 

CIDA, the MPE built dust impact mass spectrometer onboard STARDUST did not receive another impact adding to those five detected in 1999. Only on April 3rd 2000 a 6th event was detected. It too shows a complex, yet less detailed mass spectrum. This is expected, as during the earth return leg of the orbit interstellar particles would have a lower impact speed. Interplanetary particles with an expected less complex spectrum were not detected, as the instrument is off for the last part of the orbit or it's target shadowed by the spacecraft. CIDA will be turned on again in early 2001 with its target pointed into the flux of interstellar dust.

 

Die Massenspektren von zwei Teilchen, deren Target-signale im Datenfenster lagen, zeigt Abb. II-11. Das Quintus Spektrum (Abb. II-11, rechtes Bild) reicht bis etwa 400 Daltons (Da). Durch Analyse der auftretenden Massendifferenzen konnten polyzyklische-aromatische-Kohlenwasserstoffe mit O - Beimengungen identifiziert werden. Dromedary (Abb. II-11, linkes Bild) zeigt einen großen Peak mit wenig Variation. Die kleinere Struktur um 800 Da wurde benutzt, um die Massenskala für ein anderes Teilchen abzuleiten und dann daraus die chemi­sche Natur für dieses Teilchen. Auch sie basiert auf po­lyzyklischen-aromatischen Kohlenwasserstoffen, bei denen allerdings einige Prozent O- und insbesondere N- Atome eingebaut sind. Gerade die letzteren zwingen diesen Moleküle eine dreidimensionale Struktur auf, die wiederum das Vernetzen mit Nachbarmolekülen vereinfacht.

 

The mass spectra of two particles, which did include in their data window the impact target signal, and therefore allow direct time-of-flight to mass conversion, are shown in Fig. II-11. The Quintus spectrum (Fig. II-11, right hand panel) extends to about 400 Daltons (Da). The analysis based on mass differences points to O-hetero­atoms in a polycyclic-aromatic hydrocarbon backbone. The Dromedary spectrum (Fig. II-11, left hand panel) extends to higher masses. The large peak with little structure points to large parent molecules with no specific breakpoints for ionisation. The small structure near 800 Da was used to infer a mass scale for another particle that then provided more clues to the chemical nature of these par­ticles. They are interpreted again to have polycyclic-aromatic hydrocarbons as a backbone with a few percent of N- and O- atoms incorporated, which force the 3-dimensional structure on these molecules.

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Abb. II-11: Massenspektren von zwei mit CIDA auf STARDUST gemessenen Teilchen: Quintus (rechtes Bild) und Dromedary (linkes Bild).

Fig. II-11: Mass spectra of two particles observed with CIDA on STARDUST: Quintus (right panel) and Dromedary (left panel).

Im Jahr 1996 hatten wir entdeckt, dass die Kometen eine neue Klasse von Röntgenquellen bilden, wobei die Ursache für die unerwartet intensive Röntgenstrahlung zunächst unbekannt blieb. Die ROSAT-Daten ergaben jedoch Hinweise darauf, dass sie durch Wechselwirkung zwischen dem Sonnenwind und dem Gas in der Kometenkoma freigesetzt wird. Die Hypothese, dass es sich bei dem Wechselwirkungsprozess um einen Ladungsaustausch zwischen hochionisierten schweren Atomen im Sonnenwind und weitgehend neutralen Atomen in der Kometenkoma handeln könnte, stimmte im Gegensatz zu alternativen Entstehungsprozessen ausgezeichnet mit den ROSAT-Beobachtungsbefunden überein. Sie wurde all-gemein als die wahrscheinlichste Erklärung akzeptiert, wobei jedoch der direkte Beweis noch ausstand.

 

In 1996 we had discovered that comets establish a new class of X-ray sources. Although the cause of the unexpectedly intense X-ray emission was not known at that time, the ROSAT data indicated that it was generated by an interaction between the solar wind and the gas in the cometary coma. The possibility that this interaction was charge exchange between highly ionised heavy atoms in the solar wind and the predominantly neutral atoms in the cometary coma was in excellent agreement with the ROSAT observations, unlike alternative processes. It was generally accepted as the most probable explanation, although the direct proof was still missing.

 

Diesen Beweis erbrachten Beobachtungen des Kometen C/1999 S4 (LINEAR) mit dem Röntgensatelliten Chandra im Juli 2000. Dank des hohen spektralen Auflö­sungsvermögens des ACIS-S Detektors gelang es, Emis­sionslinien, die man beim Ladungsaustausch mit hochio­nisierten Sauerstoff- und Stickstoff-Ionen erwartet, di­rekt nachzuweisen. Der Weg, Kometen als natürliche Sonden zur Untersuchung der chemischen Zusammen­setzung und des Ionisationsgrads des Sonnenwinds zu nutzen, steht damit offen.

 

This proof was provided by observations of Comet C/1999 S4 (LINEAR) with the X-ray satellite Chandra in July 2000. The high spectroscopic capabilities of the ACIS-S detector made it possible to verify the presence of emission lines which are expected to arise from charge exchange with highly ionised oxygen and nitrogen ions. This paves the way for utilizing comets as natural probes for the study of the chemical composition and the degree of ionisation of the solar wind.

Burwitz, Dennerl, Haerendel, Kissel

 

MPE Jahresbericht 2000 / MPE Annual Report 2000


HTML version: 2001-05-15; Helmut Steinle