Schwarze Löcher in Bulges und Pseudobulges
Forschungsbericht (importiert) 2009 - Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
Zentrale Schwarze Löcher in Galaxien
Die innersten Bereiche von Galaxien werden beherrscht von gigantischen Schwarzen Löchern. Ihre Massen reichen von einigen Millionen bis hin zu mehreren Milliarden Sonnenmassen. Wenn Materie auf ein solches Schwarzes Loch einfällt, werden enorme Mengen an Gravitationsenergie durch interne Reibungsprozesse in Strahlung umgewandelt. Auf diese Weise entstehen zum Beispiel Quasare – weit entfernte Galaxien, deren winzige Kernbereiche ein Vielfaches der Energie einer typischen Galaxie abstrahlen. Bei der Akkretion von Materie auf ein Schwarzes Loch können magnetische Effekte auch hochenergetische Materiejets erzeugen, die sich, vom aktiven Galaxienzentrum ausgehend, über tausende von Lichtjahren bis in den intergalaktischen Raum erstrecken. Die Aktivität in Galaxienkernen hat etwa drei Milliarden Jahre nach dem Urknall ihren Höhepunkt erreicht und lässt seitdem stetig nach.
Man geht davon aus, dass selbst die massereichsten Schwarzen Löcher aus ursprünglich kleinen Objekten von mehreren hundert bis zu einigen zehntausend Sonnenmassen hervorgegangen sind. Diese könnten entweder durch den Gravitationskollaps der ersten, metallarmen Population von Sternen (sogenannte Population III-Sterne) entstanden sein, oder durch den Kollaps von dichten Gaswolken oder Sternhaufen im frühen Universum. Mit der Zeit ist ihre Masse, durch das Ansammeln von Gas während Aktivitätsphasen bzw. durch die Verschmelzung mit anderen Schwarzen Löchern, angewachsen.
In den meisten heutigen Galaxien sind die Schwarzen Löcher inaktiv. Trotzdem kann man sie nachweisen. Die zusätzlichen Gravitationskräfte, die sie erzeugen, beschleunigen die Sterne. Die höhere Geschwindigkeit der Sterne ihrerseits führt zu einer Verbreiterung der stellaren Absorptionslinien in Galaxienspektren (Dopplereffekt), die man messen kann. Die Einflusssphäre der Schwarzen Löcher, d. h. der Bereich, in dem sie die Geschwindigkeiten der Sterne merklich beeinflussen, ist jedoch relativ klein. Man braucht eine sehr hohe räumliche Auflösung (etwa 0,1 Bogensekunden), um sie spektroskopieren zu können.
Bulges, Pseudobulges und das Wachstum schwarzer LöcherS
Bis vor wenigen Jahren konnte man die nötige Auflösung nur mit dem Hubble-Weltraumteleskop erreichen. Aus der Analyse der Hubble-Daten weiß man, dass jede Galaxie mit einem Bulge ein zentrales Schwarzes Loch hat. Unter einem Bulge versteht man dabei ein dreidimensionales sphäroidisches Sternsystem. Bulges können allein auftreten (elliptische Galaxien) oder zusammen mit Sternscheiben (Spiralgalaxien; zwei Beispiele sind in Abb. 1 gezeigt). Wenn man Spiralgalaxien von der Kante sieht, stechen die Bulges als zentrale Auswölbungen aus der flachen Scheibe hervor (daher auch der Name „Bulge“).
Studien der letzten Zeit haben ans Licht gebracht, dass Bulges in Spiralgalaxien kein einheitliches Phänomen sind. Vielmehr gibt es sogenannte klassische Bulges und Pseudobulges. Klassische Bulges erinnern in ihrem Aufbau stark an elliptische Galaxien: sie sind relativ wenig abgeflacht, rotieren eher langsam, haben eine hohe Sterndichte im Zentrum und sind aus alten Sternen gebildet. Pseudobulges hingegen sind in vielen ihrer Eigenschaften mit den Sternscheiben der Spiralgalaxien verwandt. Sie sind relativ flach und rotieren schnell, sind aus jungen Sternen gebildet und nicht so stark zum Zentrum hin konzentriert. Abbildung 1 zeigt zwei typische Beispiele: die Spiralgalaxie NGC2841 (links) hat einen klassischen Bulge, während NGC3351 (rechts) Merkmale eines Pseudobulges aufweist.
Je massereicher der Bulge, umso größer auch das zentrale schwarze Loch. Dies ist im rechten Teil von Abbildung 2 dargestellt, wo die Masse des Bulges durch seine Leuchtkraft im Infrarotlicht wiedergegeben ist. Sternscheiben, wie sie für Spiralgalaxien charakteristisch sind, scheinen keinen Einfluss auf die Masse des zentralen schwarzen Lochs zu haben. Der enge Zusammenhang zwischen den Eigenschaften des Bulges und der Masse des zentralen schwarzen Lochs deutet an, dass ihre Entwicklung wechselseitig miteinander verknüpft ist.
Elliptische Galaxien und klassische Bulges gehen vermutlich aus dem Zusammenstoß von kleineren Vorläuferobjekten hervor. Dabei wird das in den Vorläuferobjekten verteilte Gas effektiv zum Zentrum hin transportiert. Auf diese Weise könnte das Wachstum der Schwarzen Löcher und das der Bulges verknüpft sein. In Pseudobulges hingegen sieht man vermutlich die Wirkung von internen Entwicklungsprozessen in Sternscheiben. Auch dabei wird Gas ins Zentrum transportiert. Allerdings verläuft dieser Mechanismus auf deutlich längeren Zeitskalen.
SINFONI Beobachtungen
Viele Aspekte des Zusammenspiels zwischen der Entwicklung von Bulges und Schwarzen Löchern sind noch kaum erforscht. Der bisher gesammelte Datensatz ist zu klein. So weiß man beispielsweise nicht, wie sich der Trend zwischen der Masse des Schwarzen Lochs und des Bulges bei den kleinsten Galaxien (die am Anfang ihrer Entwicklung stehen) und bei den größten Galaxien (die das Endstadium der Galaxienentwicklung darstellen) fortsetzt. Auch decken die bisherigen Daten nicht das ganze Spektrum der unterschiedlichen Galaxientypen ab, sondern sind hauptsächlich auf elliptische Galaxien konzentriert.
Diese Lücke zu schließen ist Ziel des SINFONI- Projektes mit dem die Zahl der beobachteten Galaxien verdoppelt werden soll. Ermöglicht wird es durch die Entwicklung der adaptiven Optik, durch die man mit bodengebundenen Teleskopen heute die gleiche räumliche Auflösung erreichen kann, wie aus dem Weltraum. Der vom Max-Planck-Instiut für extraterrestrische Physik (MPE) gebaute, hochauflösende SINFONI- Feldspektrograph befindet sich an einem der vier 8 m-Teleskope der europäischen Südsternwarte ESO auf dem Cerro Paranal in Chile. Die Größe und damit die Lichtstärke des Teleskops, aber auch die Möglichkeit im Infrarotlicht zu beobachten, macht es zu einem idealen Instrument, um insbesondere kleinere Galaxien zu studieren. Ihre zentralen Bereiche liegen oft hinter Staubwolken, die optisches Licht absorbieren. Die neuen Daten können klären, ob Schwarze Löcher in Pseudobulges anderen Gesetzmäßigkeiten folgen als die in klassischen Bulges – da sie vermutlich auf ganz andere Weise gewachsen sind. Weitere Erkenntnisse, die man aus dem Datensatz ziehen kann, sind: Was genau bestimmt die Masse des zentralen Schwarzen Lochs? Die Masse des Bulges allein oder eine Kombination aus Masse und Konzentration? Wenn das Wachstum der Schwarzen Löcher tatsächlich mit der Entwicklung von Bulges einhergeht, haben die sehr seltenen reinen Scheibengalaxien (ohne Bulge) gar keine Schwarzen Löcher? Solche Galaxien scheinen weder Zusammenstöße mit anderen Galaxien erlebt zu haben, noch haben interne Entwicklungsprozesse ihrer Scheiben zu einer signifikanten Umverteilung der Materie geführt. Beherbergen sie in ihren Zentren vielleicht jene kleinen ursprünglichen Schwarzen Löcher, mit denen die Entwicklung aller anderen einmal angefangen hat? Einige reine Scheibengalaxien zeigen eine schwache Kernaktivität, die auf ein – allerdings nicht sehr massereiches – Schwarzes Loch hinweist. Antworten auf alle diese Fragen sind nötig, um zu verstehen wie Schwarze Löcher gewachsen sind und welche Rolle sie bei der Entwicklung der Galaxien gespielt haben.
Die Galaxien NGC3368 und NGC3489
Abbildung 3 zeigt beispielhaft Messungen in der Galaxie NGC3368. Sie hat eine besonders interessante Mehrfachstruktur. Ihr zentraler, kleiner klassischer Bulge ist umgeben von einem Pseudobulge. Einen ganz ähnlichen Aufbau hat auch eine zweite Galaxie aus dem SINFONI Datensatz: NGC3489. In Abbildung 2 sind beide Galaxien hervorgehoben. Zwei interessante Ergebnisse lassen sich ablesen: (1) Gemessen an der Helligkeit bzw. Masse des Gesamtbulges (Pseudobulge + klassischer Bulge) sind die schwarzen Löcher in beiden Galaxien unerwartet klein (rote Punkte in rechter Abb. 2). Dies ist jedoch im Hinblick auf die in den jeweiligen Bulges gemessenen ungeordneten Geschwindigkeiten der Sterne (Geschwindigkeitsdispersion; rote Punkte im linken Teil der Abb. 2) nicht der Fall. Die Geschwindigkeitsdispersion wird im gesamten Bulge gemessen und ist umso größer je massereicher bzw. je konzentrierter der Bulge ist. (2) Legt man allein die Masse des klassischen Bulges zugrunde – der jeweils nur einen Teil der komplexen inneren Struktur in den beiden Galaxien ausmacht – so erscheinen die schwarzen Löcher gleichfalls nicht unterdurchschnittlich (dies ist durch die rot-blauen Linien im rechten Teil von Abb. 2 veranschaulicht). Diese Ergebnisse deuten an, dass die klassischen Bulges eine fundamentale Rolle im Wachstum galaktischer schwarzer Löcher spielen.
Ausblick
Insgesamt sind 32 Galaxien beobachtet worden. Ein Drittel davon Galaxien mit einem Pseudobulge, ein weiteres Drittel sehr massereiche Galaxien und der Rest sehr massearme Galaxien und bisher wenig untersuchte Galaxientypen. Einige der schon analysierten Galaxien sind in Abbildung 2 berücksichtigt. Am Ende des Projektes wird ein statistisch aussagekräftiger Datensatz für unterschiedliche Bulgetypen zur Verfügung stehen und neue Erkenntnisse über die verschiedenen Wachstumsmechanismen von Schwarzen Löchern bringen. Mit der breit angelegten Massenbestimmung sowohl für massearme als auch für massereiche Galaxien wird ferner zu klären sein, wie die in aktiven Schwarzen Löchern freigesetzte Energie die Sternentstehung in Bulges und damit ihre Entwicklung beeinflusst hat.