Kosmische Gammabursts – die hellsten Leuchtfeuer im Universum
Forschungsbericht (importiert) 2008 - Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
Gigantische Leuchtfeuer
Kaum ein anderes Forschungsgebiet der Astrophysik hat in den letzten Jahren einen so gewaltigen Fortschritt erlebt wie die Erforschung der Natur der kosmischen Gamma-Ray Bursts (GRBs). Dies sind sekunden-kurze Strahlungsblitze im Gammastrahlenband. Im Moment ihres Auftretens sind sie die mit Abstand hellsten Gammaquellen am Himmel. Zuerst mit Militär-Satelliten in den 1960er-Jahren entdeckt, dauerte es 30 Jahre, bis die Astronomen ein genaueres Bild dieser Ereignisse gewinnen konnten. Im Jahre 1997 entdeckte der italienisch-niederländische Satellit BeppoSAX erstmals das damals bereits theoretisch vorhergesagte Nachglühen der Materie am Ort der Explosion, den sogenannten Afterglow eines Bursts. Auch der deutsche Röntgensatellit ROSAT konnte in seinen letzten Betriebsjahren diese Afterglows beobachten. Heute ist erwiesen: GRBs und die ihnen folgenden Afterglows sind die leuchtkräftigsten Erscheinungen im Universum mit bis zu 1016facher Leuchtkraft unserer Sonne.
Damit ist ein kosmisches Leuchtfeuer gefunden worden, das alles bisher Bekannte weit in den Schatten stellt. Selbst die Leuchtkräfte von Quasaren und Supernova-Explosionen bleiben weit dahinter zurück. Supernovae (genauer, jene vom Typ Ia) wurden in den 1990er-Jahren als kosmische „Standardkerzen“ berühmt und haben unser Bild über die Materie-Zusammensetzung des Universums um die Entdeckung der „Dunklen Energie“ bereichert. Gleichwohl sind sie mit der bisherigen Beobachtungstechnik nur bis zu kosmologischen Entfernungen beobachtbar, die einem Alter des Universums von etwa der Hälfte des heutigen Wertes (13,7 Milliarden Jahre) entspricht. Die den Gamma-Ray Bursts folgenden optischen Afterglows hingegen können für Minuten oder Stunden um 3 bis 4 Größenordnungen leuchtkräftiger sein als die hellsten Ia-Supernovae im Strahlungsmaximum. Sie lassen sich deshalb im Optischen bis zu kosmologischen Entfernungen beobachten, welche einem Weltalter von weniger als 1 Milliarde Jahre nach dem Urknall entsprechen. Dies allein macht die Bursts zu einem neuen, faszinierenden Werkzeug der beobachtenden Kosmologie.
Schwarze Löcher und relativistische Jets
Man unterscheidet zwei Klassen von Bursts: Solche mit kurzer (kürzer als 2 Sekunden) und solche mit langer Dauer. Nachfolgebeobachtungen der Afterglows haben deutlich gemacht, dass die langen Bursts auf den Gravitationskollaps massereicher Sterne in fernen Galaxien zurückgehen und wahrscheinlich mit der Entstehung stellarer Schwarzer Löcher verbunden sind. Die kurzen Bursts hingegen entstehen vermutlich durch das Verschmelzen zweier kompakter Sterne, entweder eines Neutronenstern-Paares oder eines Schwarzen Lochs mit einem Neutronenstern. Beiden Modellen ist gemein, dass sowohl ein stellares Schwarzes Loch entsteht als auch ein kurzzeitiger, relativistischer, eng gebündelter Materieausfluss, der so genannte Jet, in welchem der eigentliche GRB entsteht. Trifft dieser Jet auf das die Explosionsquelle umgebende interstellare Medium, werden hier Elektronen auf ultra-relativistische Geschwindigkeiten beschleunigt, welche dann ihrerseits das Afterglow-Licht als Synchrotronstrahlung vom Radio- bis in den Röntgenbereich erzeugen. Astrophysiker weltweit arbeiten an diversen Aspekten dieser physikalischen Prozesse um zu verstehen, wie u. a. die Entstehung eines stellaren Schwarzen Lochs die Erzeugung relativistischer Ausflüsse bewirkt, oder wie die kollidierenden Schocks innerhalb dieser Jets die Gammastrahlung produzieren.
Eine Revolution im Verständnis der Afterglows ist seit Ende 2004, dem Beginn der Beobachtungen des NASA-Satelliten Swift, im Gange. Swift misst dank eines sehr empfindlichen Detektors nicht nur eine Vielzahl von GRBs, sondern beobachtet für jeden GRB auch dessen Afterglow im Röntgen- und Ultraviolettbereich. Um diese Vielzahl an gut lokalisierten GRBs auszunutzen, wurde am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) im Jahre 2003 mit der Konstruktion und dem Bau eines speziellen Instruments für bodengebundene Nachfolgebeobachtungen begonnen: der GROND-Kamera.
GROND: Die erste astronomische Sieben-Kanal-Kamera weltweit
Praktisch alle astronomischen Instrumente weltweit, inklusive derer an allen Teleskopen der 8-10 m Klasse, arbeiten im sogenannten Imaging Modus nur in einem einzigen photometrischen Band. Die Wahl des Bandes wird durch das Einsetzen entsprechender Filter in den Strahlengang bestimmt. Alles andere Sternlicht bleibt ungenutzt. Will man Objekte in mehreren Bändern beobachten, um deren spektrale Energieverteilung zu rekonstruieren (die so genannten Farben), muss folglich hintereinander mit verschiedenen Filtern beobachtet werden. Bei laufenden Kosten an den Teleskopen der 8-10 m Klasse von rund 1 € pro Sekunde Beobachtungszeit ist unmittelbar ersichtlich, welchen Vorteil ein simultanes Imaging in mehreren photometrischen Bändern erbringen kann. Der wissenschaftliche Nutzen ist jedoch weit größer, weil zusätzlich zur Intensität und der räumlichen Verteilung am Himmel auch die spektrale Information all dieser Quellen gewonnen werden kann. Dies ist die Arbeitsweise von GROND.
GROND steht für „Gamma-Ray Burst Optical Near-Infrared Detector”. Es ist eine Entwicklung des MPE Garching mit wesentlichen Beiträgen der Landessternwarte Tautenburg. GROND ist permanent am seitlichen Fokus des 2,2-m-Teleskops auf La Silla, Chile, montiert und seit Sommer 2007 im regulären Beobachtungsbetrieb. Es ist weltweit die erste und einzige astronomische Kamera, welche simultane Beobachtungen in sieben photometrischen Bändern erlaubt und mit diesen einen Wellenlängenbereich von 400 bis 2.300 nm überspannt. GROND benutzt optische Teilerplatten, um das Sternlicht in die sieben photometrischen Bänder aufzuteilen. Als elektronische Empfänger kommen im Optischen vier CCDs (2048x2048 Pixel) und im Infraroten drei HAWAII-1-Detektoren (1024x1024 Pixel) zum Einsatz. Weil am 2,2 m-Teleskop noch zwei weitere Instrumente angebracht sind, wurde ein automatisch schwenkbarer Gegenspiegel konstruiert, der innerhalb von 20 Sekunden zwischen den Instrumenten umschalten kann.
Optische Flares: GROND bestimmt die Arbeitsweise des zentralen GRB Motors
Unser Verständnis der Bursts und ihrer Afterglows hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Dies ist hauptsächlich den Messungen des Swift-Satelliten zu verdanken. Einerseits hat Swift selbst durch umfangreiche Röntgenbeobachtungen den Übergang der eigentlichen Emission im Gammaband zum Afterglow-Licht vermessen. Andererseits hat Swift durch die Bereitstellung akkurater Himmelskoordinaten innerhalb von einer Minute nach dem Einsetzen eines Bursts eine Vielzahl von bodengebundenen, schnellen Nachbeobachtungen erlaubt, welche wesentliche Erkenntnisse z. B. über die Ionisation der Explosionsumgebung oder die chemische Zusammensetzung des interstellaren Mediums der GRB Muttergalaxien erbracht haben.
Eine große Überraschung des ersten Betriebsjahres der Swift-Mission waren die unerwartet vielfältigen Variationen der Intensität der Röntgenstrahlung der Afterglows innerhalb der ersten Stunden nach einem Burst. In den ersten Minuten zeigt diese gewöhnlich einen steilen Abfall und geht dann meist in eine Phase relativ flach abfallender Intensität über, in die sogenannte Plateau-Phase. Gelegentlich beobachtet man allerdings ein viele Minuten andauerndes Aufflackern (Röntgen-Flares), während dem die Röntgenstrahlung eines Afterglows um bis zu einem Faktor 100 emporschnellen kann. Für diese Flares gibt es fünf Erklärungsvorschläge: (1) ein so genannter Rückwärtsschock, wie er aus der klassischen Hydrodynamik bekannt ist, (2) Dichte-Inhomogenitäten in dem die Burstquelle in ihrer Muttergalaxie umgebenden interstellaren Medium, (3) eine räumlich inhomogene Energieverteilung in den Materie-Jets, (4) eine späte Aktivität der Burstquelle in Form von weiteren Energie- und Materieinjektionen in den Jet, oder schließlich (5) das zeitlich verzögerte Zusammenstoßen von zu verschiedenen Zeiten ausgestoßenen Materieschalen im Jet. Bisher war es trotz der vierjährigen Beobachtungen mit Swift nicht möglich, zwischen diesen fünf Möglichkeiten zu unterscheiden.
Mit GRB 071031 (Nomenklatur: Jahr, Monat, Tag) gelang uns nun mit GROND die Gewinnung eines bislang einmaligen Datensatzes, der es gestattet, diese Fragestellung erneut anzugehen und das Rätsel schließlich zu lösen. Die gewonnenen Daten bilden eine ununterbrochene Lichtkurve des Afterglows von vier Minuten bis sieben Stunden nach dem Einsetzen des Burst simultan in sieben photometrischen Bändern – insgesamt fast 400 Datenpunkte (Abb. 1)!
Erstmals konnten zeitgleich zu Röntgen-Flares auch optische Flares beobachtet werden. Sie sind dabei zeitlich und spektral soweit aufgelöst, dass die Bestimmung des Emissionsmechanismus gelungen ist. Durch die hohe zeitliche Auflösung der GROND-Daten können die obigen Modelle (1) und (2) ausgeschlossen werden. Durch die Vermessung der abfallenden Flanken der Flares sowie der deutlich unterschiedlichen spektralen Energieverteilung der Flares im Vergleich zum kanonischen Afterglow-Licht können auch die Modelle (3) und (4) nicht zutreffen. Das Modell (5) bleibt nicht nur als einzige nicht zu widerlegende Möglichkeit übrig, sondern der kombinierte Datensatz der Swift- und GROND-Beobachtungen während der Flares entspricht genau den Voraussagen dieses Modells.
Die Daten implizieren, dass das bisherige Verständnis von Gamma-Ray Bursts als „einmaliges und kurzzeitiges“ Ereignis revidiert werden muss. Zwar sehen wir die Gamma-Emission als kurzzeitiges Ereignis, aber danach ist noch über Stunden hinweg das schwächer werdende Stottern des „inneren Motors“ der Burstquelle beobachtbar. Interessanterweise ist diese durch GROND-Daten favorisierte Lösung des Problems auch auf die kurzen Bursts übertragbar: Auch diese zeigen im Röntgenbereich Flares, aber sowohl der Erzeugungsmechanismus der kurzen Bursts als auch die räumliche Dichte des diese Burstquellen umgebenden Mediums dürfte von jenen der langen Bursts sehr verschieden sein.
GROND misst den bisher am weitesten entfernten Gamma-Ray Burst
Das konstruktive Design von GROND wurde primär mit dem wissenschaftlichen Ziel entworfen, ein Instrument zur Verfügung zu haben, das es gestattet innerhalb von Minuten nach einem Burst seine kosmologische Rotverschiebung z aus dem Afterglow-Licht abzuschätzen. Das diesem Verfahren zugrunde liegende Prinzip wird seit Jahren benutzt, um nach hochrotverschobenen Galaxien zu suchen. Es basiert auf der mittlerweile achzig Jahre alten Erkenntnis von Edwin Hubble, dass die Galaxien sich umso schneller von uns entfernen, je weiter sie von uns entfernt sind. Die Folge ist, dass die beobachteten Wellenlängen der atomaren und molekularen Übergänge (Linien) relativ zum Laborsystem um den Faktor (1+z) zu längeren Wellenlängen hin verschoben sind. Das ist der kosmologische Rotverschiebungseffekt. Dabei gilt: Je größer diese Verschiebung, je größer ist die Entfernung der Quelle vom Beobachter und je jünger ist aufgrund der endlichen Lichtgeschwindigkeit auch das Alter des Kosmos, in welchem wir diese Objekte beobachten.
Für die Entfernungsabschätzung kosmologisch weit entfernter Quellen spielt dabei der im Weltall weit verbreitete interstellare und intergalaktische neutrale Wasserstoff die entscheidende Rolle. Er absorbiert nahezu alle Strahlung zwischen einer Strahlungsquelle und dem Beobachter für Wellenlängen kleiner als die des Lyman-alpha-Übergangs bei 121,6 nm. In Verbindung mit dem Rotverschiebungseffekt hat dies zur Konsequenz, dass eine Strahlungsquelle, die bei einer Rotverschiebung z steht, unterhalb von Wellenlängen von (1+z)•121,6 nm kaum noch nachweisbar ist. Ein Objekt mit einer Rotverschiebung von beispielsweise z = 5 ist bei Wellenlängen kleiner 121,6•(1+z) ≈ 730 nm nicht mehr zu sehen, bei nur leicht größeren Wellenlängen ist es hingegen hell sichtbar. Wo genau diese Unstetigkeit in der beobachteten Helligkeit liegt, ist dann ein Maß für die Rotverschiebung der Quelle, die sich mit dieser Methode auf ca. 10% genau bestimmen lässt. Eine genauere Bestimmung verlangt dann eine zeitaufwändigere Spektroskopie mit weit größeren Teleskopen. Der Messbereich von GROND ist so ausgelegt, dass sich alle Objekte mit Rotverschiebungen größer als etwa 3,5 durch ihr Verschwinden in mindestens dem kurzwelligsten photometrischen Band von GROND bemerkbar machen.
Am 13. September 2008 hat GROND seine Feuerprobe bestanden: Nur sechs Minuten nach der Entdeckung eines zunächst normal erscheinenden GRBs durch den Swift-Satelliten begannen die automatisch startenden GROND-Beobachtungen des Afterglows. Außer einer schwachen Emission im rötesten der vier visuellen photometrischen Bänder von GROND war in den anderen visuellen Bändern nichts zu sehen, aber ein Blick auf die Nahinfrarot-Kanäle zeigte eine helle Quelle (Abb. 2). Vorbereitet auf solch ein Ereignis durch ein ausgeklügeltes Beobachtungsschema und entsprechend im Vorfeld beantragte und genehmigte Beobachtungsvorschläge wurde von uns noch in derselben Nacht das Very-Large-Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile alarmiert. So konnte innerhalb nur einer Stunde nach dem Burst ein hochaufgelöstes Spektrum des Afterglows gewonnen werden. Dieses bestätigte die aus den GROND-Daten abgeleitete hohe Rotverschiebung: z = 6,7. Dies machte GRB 080913 nicht nur zum Burst mit der größten bisher bekannten Rotverschiebung, sondern auch zum zweitweitest entfernten kosmischen Objekt überhaupt, nach der 2006 von anderen Forschern berichteten Entdeckung einer Galaxie bei z = 6,96. Die GROND-Beobachtungen zeigen, dass bereits 800 Millionen Jahre nach dem Urknall massereiche Sterne existierten, die dann mit einem Gammaburst sterben.
Ausblick
Unser systematisches Beobachtungsprogramm von GRB Afterglows mit GROND soll in den kommenden Jahren konsequent weitergeführt werden und dabei etwa 50 Afterglows pro Jahr beobachten. Während die reichhaltigen GROND-Datensätze für die Lösung weiterer offener Probleme der GRB-Forschung ausgenutzt werden, blicken wir gespannt auf die zu erwartenden Fortschritte beim Aufspüren noch weiter entfernter GRBs, um damit in bislang unerforschte Altersbereiche unseres Universums vorzustoßen. Da die GRBs mit langer Dauer wohl von massereichen Sternen stammen, zeigt jeder noch weiter entfernte GRB an, dass es zu diesem Zeitpunkt schon Sterne gegeben haben muss. Aus der Rotverschiebungsgrenze, bis zu der GRBs detektiert werden, lässt sich damit unmittelbar der Zeitpunkt der ersten Sternbildung im Universum ableiten, abgesehen von der (vergleichsweise kleinen) Unsicherheit, wie lange Sterne in diesem frühen Stadium des Kosmos leben. Wir sind zuversichtlich, dass GROND dabei seinem wissenschaftlichen Ziel gerecht werden wird, Pfadfinder in das ferne/frühe Universum zu sein.
* Sylvio Klose: Thüringer Landessternwarte Tautenburg
Urhebervermerk: Die hier beschriebenen Ergebnisse wurden im Rahmen einer internationalen Kollaboration unter Führung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik erarbeitet und werden in den folgenden beiden Artikeln erscheinen:
T. Krühler, J. Greiner, S. McBreen et al.: Correlated Optical and X-ray Flares in the Afterglow of XRF 071031. The Astrophysical Journal, arXiv:0903.1184.
J: Greiner; T. Krühler, J.P.U. Fynbo et al.: GRB 080913 at redshift 6.7. The Astrophysical Journal 693, 1610-1620 (2009).