Gammastrahlung enthüllt Paar-Plasma bei aktivem Doppelsternsystem

29. Februar 2016
Das ESA-INTEGRAL Observatorium beobachtete im Juni vergangenen Jahres einen Ausbruch des Mikroquasars V404 Cygni. Dies erlaubte es einem Team von Astronomen des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik, in der unmittelbaren Umgebung des schwarzen Loches das lange vermutete Elektron-Positron Paar-Plasma zu entdecken. In solch einem Doppelsternsystem verschwindet Materie von einem Begleitstern in einem schwarzen Loch, gleichzeitig wird ein Jet in zwei entgegengesetzte Richtungen ausgestoßen. Der Materiestrom kann in einer Akkretionsscheibe  durch deren Röntgenstrahlung beobachtet werden, während die weit außerhalb in den Jets entweichenden Plasmawolken in Radiobeobachtungen zu sehen sind. Wie aber die Akkretion und das Ausstoßen des Gases zusammenhängen ist völlig unbekannt, ebenso wenig die Prozesse die nahe am schwarzen Loch vor sich gehen. Die Strahlung in der unmittelbaren Umgebung des schwarzen Lochs sollte energiereich genug sein, um Elektronen und ihre Antimaterie-Partnern, die Positronen, zu produzieren, und damit ein sogenanntes "Paar-Plasma" zu erzeugen. Die INTEGRAL-Daten zeigten nun eine klare Signatur dieser Materialisation von Strahlung in ein Paar-Plasma, da die entweichenden Positronen ein charakteristisches Gammastrahlen-Signal aussenden. Dieses wurde nun von den Max-Planck-Wissenschaftlern entdeckt.

Schwarze Löcher sind ein bedeutender Forschungszweig in der gesamten Astrophysik; das Verschwinden von Materie hinter dem Ereignishorizont fasziniert nicht nur die Wissenschaftler. In einem Mikroquasar besitzt das schwarze Loch der Regel eine Masse wie sie typisch für schwerere Sterne ist, und akkretiert Materie von einem nahen Begleitstern. Der Materie-Strom bildet eine Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch; diese wird auf Röntgen-Temperaturen erhitzt und strahlt hell, zudem verdeckt sie den Innenbereich, wo Materie hinter dem Ereignishorizont verschwindet. Bei der Akkretion werden große Mengen an Energie freigesetzt, wenn das Material von der  Schwerkraft des schwarzen Lochs herangesogen wird. Diese Energie heizt auf uns noch unverständliche Weise das umgebende Gas auf, zudem werden heiße Plasmajets mit hoher Geschwindigkeit ausgestoßen. Die meiste Zeit verbringt ein Mikroquasars eher ruhig,  langsam und stetig wird Materie von der Innenkante der Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch abgezogen. In diesen Phasen, aber noch mehr während der gelegentlichen, plötzlichen Ausbrüche, bleibt der Innenbereich in der Nähe des Schwarzen Lochs sogar für hochenergetische Gammastrahlen undurchsichtig. Es war daher lange Zeit praktisch unmöglich zu untersuchen, wie die Akkretion von Materie tatsächlich zu diesen beobachteten Phänomenen führt.

Mikroquasare wie V404 Cygni befinden sich auch in unserer eigenen Galaxie, sind also für Astronomen ganz "in der Nähe". Dies bietet die Möglichkeit, sie in großem Detail zu untersuchen. V404 Cygni befindet sich nur 8000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Schwan (Cygnus), die Parameter dieses Doppelsternsystems sind gut bekannt. Nach 26 Jahren mit eher ruhiger Akkretion und Strahlung flackerte das System im Sommer 2015 plötzlich hell auf. In der Zeit zwischen 17. und 30. Juni 2015 beobachteten die Astronomen intensive Röntgen- und Gammastrahlung, um ein Vielfaches stärker als der Krebsnebel, der normalerweise die hellste Lichtquelle am Hochenergie-Himmel ist. Zudem ist V404 Cygni ein besonderes Objekt: „Nach den Daten verschiedener Wellenlängenbereiche scheint der Jet hier gerade auf uns zu gerichtet zu sein”, sagt Jerome Rodriguez vom CEA/Paris, Ko-Autor dieser Veröffentlichung und Autor einer analogen Multi-Wellenlängen-Studie des Objekts.

Gamma-Beobachtung vom V404 Cygni

Diese Animation zeigt die Beobachtungen mit INTEGRAL (links) und den dazugehörigen Energieausstoß der Quelle V404 Cygni (rechts) im gesamten Röntgenbereich. Diese starke Emission ist aufgrund ihrer spektralen Verteilung vom heissen Material in der Akkretionsscheibe dominiert, das Flackern spiegelt die Instabilitäten im Materiestrom wider. Die beiden anderen hellen Emissionsorte im Gesichtsfeld sind bekannte weitere Quellen im Sternbild Schwan.

"Solch ein extrem starker Ausbruch sollte zur Bildung von großen Mengen an Paar-Plasma führen, also zu Materie- und Antimaterie-Teilchen, die nach Einsteins Formel E=mc^2 aus der freigesetzten Energie entstehen", erklärt Roland Diehl, der leitende Forscher am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE). "Viele dieser Teilchen zerstrahlen sofort wieder miteinander und senden eine sehr charakteristische, energiereiche Strahlung aus mit einer Energie von 511 keV im Ruhesystem der Quelle. Und genau diese Linie, mit den erwarteten kinematischen Verzerrungen, konnten wir beobachten. Dies ist das erste Mal, dass wir ein klares Signal von Positronen aus einem gut bekannten Doppelsternsystem mit einem schwarzen Loch sehen!"

Die Daten wurden in drei Epochen von etwa 3 Tagen gruppiert, und in jeder Epoche wurde ein hoch-signifikanter Überschuss an Leuchtkraft im MeV-Bereich entdeckt. Theoretische Arbeiten zeigten, dass dieses Signal weder von der Akkretionsscheibe noch von der Korona stammen kann, sondern sich nur durch die Produktion von Elektronen und Positronen und deren Annihilation erklären lässt. Diese Paare von Teilchen und Anti-Teilchen werden in der Nähe des Schwarzen Lochs von der hochenergetischen Gammastrahlung während intensivierter Phasen der Akkretion erzeugt. Aufgrund der geringen Größe der Quelle (weniger als 100 km oder 3-10-fache des Gravitationsradius des schwarzen Loches) ist dieser Prozess ist sehr effizient. Das Paar-Plasma wird kontinuierlich erzeugt und auf dem Weg nach außen vernichtet, immer noch relative nahe am schwarzen Loch. Bei V404 Cygni war die zerstrahlende Positronen-Menge nun groß genug um dieses Gamma-Signal zu erkennen. Das während Epoche 3 beobachtete Signal ist etwas verwirrend, da es eher auf Positronium-Atome hinweist, das heißt auf exotische Atome aus einem Positron als Atomkern und einem Elektron. Derartige Positronen-Annihilations-Strahlung wurde von den Max-Planck-Wissenschaftlern mit INTEGRAL in der gesamten Galaxie seit Jahren im Detail  vermessen, allerdings tritt sie normalerweise in einer viel kälteren und weniger dichten Umgebung auf.

"Sobald das besondere Röntgensignal von V404 Cygni nach dem Aufflackern verblasste, verschwand auch das Annihiliationssignal", führt Thomas Siegert vom MPE aus, der Hauptautor der Veröffentlichung in der Zeitschrift "Nature", die diese Beobachtungen beschreibt. "Diese Messung gibt uns Informationen aus dem Innenbereich der Akkretionsscheibe, von Prozessen in der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs. Unsere Analyse stellt zudem eine natürliche Verbindung her zwischen dem Prozess der Paarbildung und dem später beobachteten Plasmastrom in den Radiojets, die viel weiter von der inneren Quelle entfernt sind. "

Das Paar-Plasma kann leicht beschleunigt werden und erreicht dabei hohe Geschwindigkeit, wie in Radioemission beobachtet. Dieser Ausstoß von Elektron-Positron-Paaren macht Mikroquasare außerdem zu effizienten Produktionsstätten von Antimaterie, die das umgebende Medium mit Positronen überfluten. Sie wurden bereits lange als mögliche Quellen für das ausgedehnte diffuse Leuchten der gesamten Galaxie im Licht von Annihilations-Gammastrahlen angeführt. Die jetzigen Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die Positronen-Emission von Mikroquasaren und können helfen zu verstehen, warum diese diffuse Positronen-Vernichtungsstrahlung in unserer Milchstraße so hell ist, insbesondere in der zentralen Region.

Anmerkung:

Mikroquasare sind analog der viel massereicheren "Quasare" oder quasi-stellaren Objekten benannt. Diese sind sehr weit entfernte, gleichzeitig aber sehr helle Galaxien, die ein supermassereiches schwarzes Loch in ihrem Zentrum beherbergen. Diese schwarzen Löcher sind "aktiv", das heißt, sie  verschlucken Materie aus ihrer Umgebung. Die einfallende Materie erzeugt große Mengen an Energie, was Quasare zu extrem leuchtstarken Quellen auch im weit entfernten Universum macht.

 

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