Extrem leuchtstark und doch überraschend gut organisiert

15. Juli 2024

Die Galaxie PJ0116-24 entstand vor etwa 10 Milliarden Jahren und erscheint im Infraroten etwa 10.000 Mal heller als unsere Milchstraße. Sie gehört zu einer seltenen Gruppe so genannter hyperheller Infrarot-Galaxien (HyLIRG), die normalerweise durch die Kollision mehrerer Galaxien entstehen. Mitglieder der Infrarotgruppe des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE), darunter Daizhong Liu und Natascha M. Förster Schreiber, haben nun gemeinsam mit Forschenden der Europäischen Südsternwarte (ESO) und anderen internationalen Instituten gezeigt, dass eine HyLIRG auch in einer massiven turbulent rotierenden Scheibe innerhalb einer einzelnen Galaxie entstehen kann, in der das Gas strukturiert organisiert ist. Diese Erkenntnis wurde durch neue Beobachtungen ermöglicht, u. a. mit dem neuartigen ERIS-Instrument am Very Large Telescope der ESO, das von einem Konsortium unter Führung der MPE-Infrarotgruppe gebaut wurde, sowie durch die starke Vergrößerung durch eine massive elliptische Galaxie, die sich zwischen uns und PJ0116-24 befindet. Diese Galaxie wirkt wie eine Gravitationslinse, die PJ0116-24 in einen "Einstein-Ring" spannt und ihn 17-mal heller erscheinen lässt.

Hyperleuchtende Infrarotgalaxien (HyLIRG) gehören zu den leuchtkräftigsten, langlebigen Objekten im Universum und zeichnen sich häufig durch eine extrem hohe Sternentstehungsrate aus. Im Rahmen des Planck All-Sky Survey to Analyze Gravitationally-lensed Extreme Starbursts Project (PASSAGES), bei dem mehr als 10^4 Quadratgrade des Himmels beobachtet wurden, entdeckte ein Forscherteam, dem auch Mitglieder des MPE angehören, etwa 20 HyLIRGs. Unter diesen wurde die Galaxie PJ0116-24 als die hellste identifiziert.

"PJ0116-24 ist eine Galaxie, die etwa 10 Milliarden Lichtjahre entfernt ist und im Infraroten 10.000 Mal heller erscheint als unsere Milchstraße, was sie ideal für tiefgehende, hochauflösende Beobachtungen macht", erklärt Daizhong Liu, Erstautor der Studie und Forscher in der Infrarot-Gruppe am MPE. Die Galaxie ist nicht nur von Natur aus sehr hell, sondern wird durch ein astronomisches Phänomen, den so genannten Einstein-Ring, zusätzlich stark vergrößert. Eine massereiche elliptische Galaxie, die in der Sichtlinie zwischen unserer Erde und PJ0116-24 liegt, wirkte wie eine Gravitationslinse und streckte das Licht von PJ0116-24 in einen nahezu perfekten Kreis. Dadurch wurde ihre Leuchtkraft um das 17-fache erhöht, was sie zur vielleicht hellsten IR-Galaxie mit hoher Rotverschiebung am Südhimmel macht.  Das stark gestreckte Bild zeigt auch die Struktur der Lichtquelle in etwa 10-mal feineren Details als ohne Linseneffekt.

Diese seltene kosmische Konstellation ermöglichte es dem Forschungsteam, die komplexe Struktur der Galaxie mit Hilfe des Enhanced Resolution Imager and Spectrograph (ERIS), der vom ERIS-Konsortium unter der Leitung der MPE-IR-Gruppe entwickelt und 2022 auf dem Very Large Telescope der ESO montiert wurde, sowie des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), sehr detailliert zu untersuchen. Mit ERIS entdeckte das Team wesentliche Wasserstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- und Schwefellinien im Spektrum der Galaxie, die den extremen Staubgehalt aufzeigten, der viel höher ist als bei typischen hochverschiebten Galaxien. ALMA hingegen wurde eingesetzt, um das kalte Gas in PJ0116-24 in 3D zu kartieren.

PJ0116-24 ist eigentlich eine massereiche rotierende Scheibengalaxie

Die Analyse zeigte, dass das Gas in dieser ungewöhnlichen Galaxie in einer geordneten Weise rotierte, im Gegensatz zu der chaotischen Bewegung, die man normalerweise nach einer galaktischen Kollision erwartet. Daraus schloss das Forscherteam, dass es sich bei PJ0116-24 - trotz ihrer starken Infrarothelligkeit und ihrer hohen Rate an Starbursts - um eine massereiche, rotierende Scheibengalaxie handelt. Dies ist eine interessante Erkenntnis, die die bisherigen Annahmen über extrem helle Galaxien in Frage stellt, wonach HyLIRGs üblicherweise durch Kollisionen mehrerer Galaxien verursacht werden.

"Wir erwarteten ein komplexes und stark aufgewühltes System, wie es bei den leuchtstärksten Galaxien im heutigen Universum der Fall ist. Es war eine ziemliche Überraschung zu sehen, dass stattdessen eine große, ziemlich regelmäßige Scheibe für eine derart hohe Rate an neugeborenen Sternen verantwortlich sein kann", sagt Natascha Förster Schreiber, eine der Mitautorinnen der Studie.

"Es ist sehr aufregend zu sehen, dass eine so extrem helle IR-Galaxie sowohl mit ionisiertem Gas als auch mit kaltem Gas gut untersucht werden kann. Die Emissionslinien von ionisiertem Gas sind normalerweise verdeckt, um in staubigen Galaxien entdeckt zu werden, aber die starke Linsenwirkung hilft, die weniger staubigen Regionen in der Galaxie zu vergrößern. Dank ERIS/VLT und ALMA lässt sich die kreisförmige Bewegung von ionisiertem und kaltem Gas klar erkennen; das wirft ein neues Licht auf die Auslöser von Starbursts", sagt Daizhong Liu und fügt hinzu: "Unsere Ergebnisse unterstreichen die entscheidende Rolle von hochauflösenden Beobachtungen der Struktur und der Gasbewegungen solcher leuchtenden Systeme, um sie zu verstehen. PJ0116-24 ist der zweite Fall eines HyLIRG mit hoher Rotverschiebung, der sich nicht in einem chaotischen Verschmelzungssystem befindet, sondern in einer ziemlich geordneten rotierenden Scheibe. Es könnte noch mehr davon geben, was sehr interessant wäre.

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